Aufgezeichnet von Olfat al-Kurd für B’Tselem, 01. Februar 2025
Die 31-jährige Aya aus dem Norden von Gaza-Stadt schildert, wie ihr Mann und ihre kleinen Kinder getötet wurden, als ihr Zelt in einem Flüchtlingslager im al-Mawasi-Gebiet von Khan Yunis bombardiert wurde, und wie sie allein in ihre zerstörte Stadt zurückkehrte.
(Originalbeitrag in englischer Sprache und mit dazugehörenden Familienfotos)
Am Freitag, dem 9. August 2024, wurde meine Familie ausgelöscht, als wir uns in einem Zelt in einem Lager für Binnenvertriebene im Gebiet al-Mawasi in Khan Yunis aufhielten. Mein Mann Abdallah al-Susi, 33, und unsere beiden Kinder Hamzah, 4, und Raghad, 2, wurden getötet. Auch mein Onkel mütterlicherseits, Majed al-Susi, 53, und der Bruder meines Mannes, Walid al-Susi, 36, wurden bei diesem Bombenangriff getötet.
Es passierte zehn Monate nach unserer Vertreibung. Eine Woche nach Kriegsbeginn, am 13. Oktober 2023, verließen meine Familie und ich unser Haus im Stadtviertel al-Saftawi im Nordwesten von Gaza-Stadt, als israelische Kampfflugzeuge unser Wohnviertel bombardierten und einen Feuerring um das Gebiet schufen. Die Häuser um uns herum wurden zerstört und unser Haus wurde teilweise beschädigt. Wir hatten keine andere Wahl als zu gehen. Mein Mann und ich packten unsere Kinder und flohen, ohne etwas aus dem Haus mitzunehmen. Wir gingen in Richtung des al-Sahaba-Viertels und blieben dort zwei Tage lang. Dann zogen wir zusammen mit der Familie meines Mannes für einen Monat in ein kleines Haus in der Gegend von Sabra.
Als dann die Bombardierungen auf Gaza-Stadt zunahmen und die israelische Armee sogar in Krankenhäuser eindrang, beschlossen wir, nach Süden zu fliehen. Wir machten uns zu Fuß auf den Weg, mit unseren Kindern auf dem Arm und den wenigen Habseligkeiten, die wir auf dem Rücken trugen. Als wir den Eingang zum Flüchtlingslager Nuseirat erreichten, stiegen wir in ein Fahrzeug, das uns in die Stadt Khan Yunis brachte, wo wir bis Anfang Dezember 2023 bei Verwandten blieben.
Zu dieser Zeit marschierte die israelische Armee in Khan Yunis ein, und das Gebiet, in dem wir uns befanden, gehörte zu den Gebieten, die sie evakuieren ließen. Wir waren gezwungen, erneut umzuziehen, dieses Mal nach Rafah, und mein Mann, meine Kinder und ich kamen in einem kleinen Zimmer im Haus eines Freundes unter. Wir blieben in Rafah, bis die Armee auch dort Anfang Mai 2024 einmarschierte.
Von dort aus zogen wir in das Gebiet al-Mawasi in Khan Yunis. Wir hatten kein Zelt, keine Decken und keine Kochutensilien, Lebensmittel oder sonstige Ausrüstung. Wir hatten nur ein paar leichte Sachen dabei. Eine Hilfsorganisation gab uns ein Zelt, und wir kauften einige Decken und lebensnotwendige Dinge. Wir litten sehr unter der Trinkwasserknappheit. Mein Mann und ich versuchten, stark zu bleiben und das Leid der Vertreibung und das Leben in einem Zelt zu ertragen, aber es war sehr schwer.
Am Freitag, dem 9. August 2024, kam mein Mann vom Freitagsgebet ins Zelt zurück, während ich über dem Feuer Essen machte. Die Kinder waren neben mir und ich las ihnen eine Geschichte vor. Wir waren gut gelaunt, trotz der Angst und obwohl wir Bombenangriffe hörten, manche näher und manche weiter weg. Mein Mann half mir, alles für das Essen vorzubereiten, und dann sagte er: „Ich möchte draußen vor dem Zelt sitzen, bis das Essen fertig ist.“ Er setzte sich mit seinem Bruder Walid und meinem Onkel mütterlicherseits, Majed, dorthin.
Die Kinder wollten neben ihrem Vater spielen, und ich ließ sie gewähren, weil ich sie lieber vom Feuer im Zelt fernhielt. Ich hörte sie lachen und spielen. Mein Mann schaute zum Himmel hinauf, zu den Überwachungsflugzeugen, und war besorgt über den Lärm, den sie machten.
Plötzlich hörte ich eine gewaltige Explosion. Ich war etwa acht Meter von meinem Mann und meinen Kindern entfernt. Ich drehte mich sofort um, um nach ihnen zu sehen, aber alles, was ich sah, war schwarzer Rauch. Ich schrie: „Mein Mann und meine Kinder!“ und rannte zu ihnen. Ich fand meine Tochter Raghad blutüberströmt auf dem Rücken liegend. Ich schrie: „Raghad!“ Raghad!“ Ich war im Schockzustand. Dann fand ich meinen Mann Abdallah. Seine Kleidung war schwarz, wie Kohle. Dann sah ich meinen Sohn Hamzah. Sein Kopf war mit Blut bedeckt.
Ich war auch verletzt, aber ich spürte in diesem Moment nichts. Ich blieb neben ihnen. Sie waren alle tot. Sie waren alle auf der Stelle tot. Dann wurden wir alle ins Krankenhaus gebracht. Erst später spürte ich Schmerzen in meinem Rücken. Es stellte sich heraus, dass ich mich dort verletzt hatte und stark blutete.
Im Krankenhaus wurden einige Röntgenaufnahmen und Tests gemacht. Ich sagte meinen Verwandten: „Ich möchte mich vor der Beerdigung von meinem Mann und meinen Kindern verabschieden“, aber der Arzt ließ mich nicht gehen, weil das in meinem Zustand zu gefährlich war. Er sagte, ich dürfe das Bett nicht verlassen. Ich sagte: „Aber ich möchte mich von ihnen verabschieden, sie ein letztes Mal sehen“, und schließlich stimmte er zu. Ich verabschiedete mich von ihnen und weinte aus tiefstem Herzen, überwältigt von Trauer. Es war so unglaublich schwer.
Ich hatte einen Nierenschaden und war 14 Tage lang im Krankenhaus. Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, blieb ich zunächst im Zelt der Familie meines Mannes. Dann kam mein Vater in den südlichen Gazastreifen, um sich um mich zu kümmern und mir zur Seite zu stehen, und wir zogen in mein Zelt, das voller Splitter der Rakete war, die dort explodiert ist. Mein Vater und ich blieben in diesem Zelt, bis wir am 28. Januar 2025, nachdem der Waffenstillstand erklärt worden war, in den Norden zurückkehrten.
Ich ließ die Leichen meines Mannes und meiner Kinder, die in Khan Yunis begraben wurden, zurück und ging mit meinem Vater und meiner Schwester Alaa, die mit ihrem Mann und ihren Kindern ebenfalls nach Süden gegangen war, zurück in den Norden. Wir fuhren in einem Auto über die Salah a-Din Road zurück.
Am ersten Tag war die Straße wegen der vielen Binnenvertriebenen, die zu Fuß oder mit dem Auto zurückkehrten, sehr voll. Das Auto, das uns fuhr, hatte eine Panne und blieb stehen. Mein Vater ging zu Fuß weiter, weil er nicht die Geduld hatte, zu warten. Am zweiten Tag, nachdem wir gewartet und im Auto geschlafen hatten, sagte ich meiner Schwester und ihrem Mann, dass ich den Heimweg allein über al-Rashid, die Küstenstraße, fortsetzen wollte.
Ich ging die Küstenstraße entlang und sah Menschen, die mit ihren Kindern nach Hause gingen. Mein Herz tat mir sehr weh. Ich wollte nicht ohne meinen Mann und meine Kinder nach Gaza Stadt zurückkehren. Sie sollten bei mir sein, und der Verlust überwältigte mich. Ein furchtbarer Schmerz.
Unterwegs hörte ich einen Mann mit seinen Kindern scherzen und sagen: „Wo sind meine Kinder? Wo seid ihr? Kommt mit mir.“ Ich sah ihnen mit gebrochenem Herzen zu. Ich fragte mich: „Gott, wo sind meine Kinder? Wo ist mein Mann?“ Möge Gott sich an denen rächen, die mir meine Kinder gestohlen haben. Ich ging weiter und weinte den ganzen Weg über. Ich weinte über das Ausmaß der Zerstörung, das Leid und den Schmerz, weil wir alle durch dieselbe Hölle gegangen sind.
Mein Bruder Ibrahim wartete auf der Straße am Nabulsi-Platz auf mich. Er fragte am Telefon: „Was erkennst du wieder?“, damit er mich finden konnte, aber ich erkannte die Orte in den Trümmern nicht wieder. Ich erkannte die Straßen von Gaza nicht, weil sie so zerstört waren. Ich wusste nicht, wo die Stadt begann und wo sie endete. Ich fand eine zerstörte Moschee, und als ich die Leute danach fragte, sagten sie mir, es sei die Scheich-Ajlin-Moschee.
Auf dem Weg traf ich meine Mutter Asmaa, die schon ungeduldig auf mich wartete. Als ich sie sah, versuchte ich, mich zusammenzureißen, aber sie brach in Tränen aus, sowohl vor Anspannung als auch weil ich ohne meinen Mann und meine Kinder zurückkam. Sie hing sehr an ihnen. Ich versuchte, sie zu beruhigen. Ich blieb stark und tröstete sie, aber sie war am Boden zerstört.
Meine Schwester Alaa kam mit ihrem Mann und ihren Kindern einen Tag nach uns in Gaza an. Wir gingen alle zum Haus meiner Schwester Afnan in der al-Jalaa-Straße. Mama umarmte Alaa, ihre Kinder und ihren Mann. Wir waren überwältigt vor Freude. Aber ich weinte um meinen Mann und meine Kinder. Gott, wie sehr wünschte ich mir, sie wären bei mir. Wie gerne wäre ich so glücklich gewesen wie Alaa, aber ich blieb mit dem Schmerz und dem Verlust zurück.
Wenn ich jetzt über den Markt gehe und Kinderkleidung sehe, denke ich: „Das ist in der Größe meiner Kinder. Ich wünschte, sie wären bei mir und ich könnte ihnen Kleidung, Spiele und Spielzeug kaufen.“ Das ist ein Schmerz, den man nicht überwinden kann. Wenn mich die Sehnsucht nach meinen Kindern überkommt, wenn es besonders weh tut, gehe ich auf den Markt und kaufe die Dinge, die ich ihnen gerne gekauft hätte, um sie dann an Waisenkinder zu spenden. Ich hoffe, dass ich diese Gewohnheit beibehalten und weiterhin Waisenkindern helfen kann, die so alt sind wie meine Kinder. Ich habe mir geschworen, immer dann, wenn ich sie vermisse, wenn ich emotional erschöpft bin und weine, wohltätig zu sein.
Meine Kinder waren noch klein. Ich habe nur kurzes Glück mit ihnen erleben können. Ich hörte sie nicht oft genug „Mama!“ rufen, und ich habe nicht genug Mutterschaft erlebt. Vor dem Krieg lebten wir bei der Familie meines Mannes, und er träumte davon, in ein eigenes Haus zu ziehen und unsere Kinder in den besten Schulen anzumelden.
In der Zwischenzeit wohne ich immer noch bei meiner Schwester Afnan in der al-Jalaa-Straße, die bei den Bombardierungen ebenfalls teilweise zerstört wurde. Ich habe kein Haus und kein Zelt.
Es ist sehr schwer, sich an das Leben ohne meine Familie zu gewöhnen und sich mit der Situation zu arrangieren. Vor zwei Tagen hatten wir unser erstes Familientreffen. Mein Vater und meine Mutter, mein Bruder und seine Frau, meine Schwestern, jede mit ihrem Mann und ihren Kindern – nur ich war allein, ohne meinen Mann und meine Kinder. Während des Essens, als wir am Tisch saßen, versuchte ich, nicht zu weinen, aber es gelang mir nicht. Ich spürte einen Schmerz in meinem Herzen. Auch meine Mutter und meine Schwestern fingen an zu weinen und erinnerten sich an meine Kinder und meinen Mann. Es war ein Familientreffen, das sehr schwere Gefühle auslöste.
Jetzt bin ich eine alleinstehende Frau, ohne Mann, ohne Kinder und ohne Zuhause. Sie wurden mir für immer weggenommen. Man hat mich um alles Schöne in meinem Leben beraubt. Ich lebe mit meiner Familie in Gaza und suche nach einer Wohnung oder einem Zelt, damit ich eine eigene Wohnung haben kann. Das Gebiet, in dem wir wohnten, im Norden von Gaza-Stadt, wurde völlig zerstört. Es gibt dort kein Leben mehr.

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