„Ich befürchte, dass wir Gefahr laufen, eine Generation von Kindern zu verlieren.“
Phillipe Lazzarini, UNRWA Generalkommisar
Im Gazastreifen leben 2,3 Millionen Menschen. Eine Million davon sind Kinder.
Seit Beginn der Angriffe auf Gaza wurden mindestens 9.600 palästinensische Kinder von der israelischen Armee getötet. Mehr als 7000 Menschen befinden sich noch unter den Trümmern der zerstörten Gebäude, darunter auch viele Kinder.
Die Lage der Menschen in Gaza wird von Tag zu Tag entsetzlicher, besonders dramatisch jedoch ist sie jedoch für Kinder. Sie sind nirgends in Sicherheit, Kinder werden vorsätzlich getötet, verwundet, verstümmelt, ausgehungert, zu Waisen gemacht, vertrieben. Sie sind Krankheiten, Infektionen und Seuchen ohne Medikamentation ausgesetzt, ebenso dem Hunger, Durst und der Kälte. Bereits Ende Oktober wurde von UNICEF-Sprecher James Elder die Aussage, dass „Gaza zu einem Friedhof für Tausende Kinder geworden ist“, getroffen, doch hat sich seither nichts an der Lage der Kinder gebessert, im Gegenteil.
Immer mehr Kinder werden schwer verletzt oder getötet. Gaza prägte ein von medizinischem Personal verwendetes neues Akronym: WCNSF - Wounded Child No Surviving Family. Dies bedeutet, dass ein verletztes Kind aufgefunden (und ins Krankenhaus eingeliefert) wird, als einzig Überlebende oder Überlebender der gesamten Familie.
Kranke und sogar schwerst verletzte Kinder können medizinisch oftmals nicht mehr behandelt werden, denn es gibt kaum noch funktionierende Krankenhäuser. Mittlerweile müssen Amputationen und andere Behandlungen, wie beispielsweise Verbrennungen, ohne Narkose durchgeführt werden.
Familien auf der Flucht leben in notdürftigsten und sehr beengten Unterkünften, oftmals ohne sanitäre Anlagen. Sie haben kaum noch Essen, kein sauberes Wasser, keine Toiletten. Für viele Familien ist beispielsweise das fehlende saubere Trinkwasser auch dahingehend ein großes Problem, da es zur Zubereitung von Flaschennahrung für Säuglinge benötigt werden würde. Viele Frauen können aufgrund der Hungersnot keine oder nur noch unzureichend Muttermilch produzieren. Die Nahrungssituation ist dramatisch: Es gibt kaum noch Lebensmittel, und jeder vierte Haushalt leidet unter extremem Hunger.
Die Experten für psychische Gesundheit von Save the Children warnen davor, dass der Krieg auf Gaza die Kinder extrem traumatischen Erlebnissen aussetzt und ihnen gleichzeitig die Möglichkeiten zur Bewältigung nimmt. Es gibt keinen sicheren Ort, kein Gefühl der Sicherheit und keine Routine, da Hunderttausende aus ihren Häusern vertrieben wurden. BetreuerInnen, die selbst unter Stress stehen, haben Mühe, den Kindern bei der Bewältigung der überwältigenden emotionalen Reaktionen zu helfen, die typisch für junge Menschen sind, die durch Gewalt traumatisiert wurden. Unter den derzeitigen Bedingungen im Gazastreifen zeigen Kinder eine ganze Reihe von Anzeichen und Symptomen eines Traumas, darunter Angst, Furcht, Sorge um ihre Sicherheit und die ihrer Angehörigen, Albträume und beunruhigende Erinnerungen, Schlaflosigkeit, das Verstecken von Emotionen und den Rückzug von geliebten Menschen. Das Trauma, das diese Symptome hervorruft, ist anhaltend, unerbittlich und verstärkt sich Tag für Tag.
Stellvertretender Direktor von UNICEF: „Schrecklichste Bedingungen, die ich je gesehen habe.“
"Seit meinem letzten Besuch hat sich die Situation von einer Katastrophe zu einem Beinahe-Kollaps entwickelt“, so der stellvertretende Direktor von UNICEF, Ted Chaiban, nach einem Besuch im Gazastreifen am 18. Jänner. „UNICEF hat den Gazastreifen als den gefährlichsten Ort der Welt für Kinder bezeichnet. Wir haben gesagt, dass dies ein Krieg gegen Kinder ist. Aber diese Wahrheiten scheinen nicht durchzudringen.“
Über eine Million palästinensischer Flüchtlinge halten sich unter unmenschlichen Verhältnissen am Grenzübergang Rafah auf. Der Regen der vergangenen Tage hat Flüsse von Abfällen entstehen lassen. Tausende Kinder sind unterernährt und krank. Insbesondere schwere Durchfallerkrankungen greifen unter Kindern rapide um sich.
Vor Ort traf Chaiban im Al-Nasser-Hospital in Khan Younis den 13-jährigen Ibrahim: „Er befand sich mit seiner Familie in einer ausgewiesenen Schutzzone, in einem Gebiet, das als sicher galt, als alles um sie herum zusammenbrach. Ibrahims Hand wurde schwer verletzt und infizierte sich schnell. Ohne Medikamente setzte Wundbrand ein, und schließlich verlor er seinen Arm durch eine Amputation ohne Narkose. Ibrahims Mutter Amani, die ihn zur lebensrettenden Behandlung nach Al-Nasser im Süden des Streifens begleitete, bat um Hilfe, um ihre übrigen sechs Kinder und ihren Ehemann zu erreichen, die nördlich von Gaza-Stadt geblieben waren. Sie hat seit zwei Monaten nichts mehr von ihnen gehört.“
Kinder und ihre Familien litten laut Chaiban unter den schrecklichsten Bedingungen, die er je gesehen habe.
UNICEF-Pressestatement nach dreitägigem Besuch vom Stellvertretenden Direktor Ted Chabain (in englischer Sprache)
NBC-News Reportage: Eine Überlebensgeschichte: 13-Jähriger kümmert sich um sieben Geschwister während des Krieges in Gaza (mit englischen Untertiteln)
Der 13-jährige Mohammad kümmert sich alleine um seine sieben Geschwister, das jüngste davon sechs Monate alt, nachdem die Mutter durch einen israelischen Luftangriff getötet wurde. Das Schicksal des Vaters der Familie ist unbekannt.
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