Ende Jänner, einen Tag nachdem der Internationale Gerichtshof zu dem Schluss gekommen war, dass Israel im Gazastreifen möglicherweise einen Völkermord begeht, wurden von Seiten Israels Anschuldigungen gegen zwölf Mitarbeiter der UNRWA erhoben, sie wären am Massaker vom 7. Oktober beteiligt gewesen. Bis heute wurden keinerlei Beweise von Seiten Israels für diese Anschuldigungen vorgelegt. Trotzdem setzen 16 Geberländer, darunter auch Österreich, ihre Zahlungen an UNRWA weiterhin aus. Wie gestern bekannt wurde, bezweifelt mittlerweile auch der US-Geheimdienst in einem Bericht die israelischen Behauptungen über UNRWA-Hamas-Verbindungen.
In seinem gestrigen Brief an den Präsidenten der UN-Generalvollversammlung berichtet UNRWA Generalkommissar Philippe Lazzarini, dass die UNRWA angesichts der wiederholten Aufforderungen Israels, das Hilfswerk aufzulösen und durch das Einfrieren der Mittel durch 16 Geberländer zu einer Zeit, in der der humanitäre Bedarf im Gazastreifen so groß ist wie noch nie zuvor, an seine Grenzen gestoßen ist. Die Fähigkeit des Hilfswerks, das mit der Resolution 302 der Generalversammlung erteilte Mandat zu erfüllen, ist nun ernsthaft gefährdet.
In etwas mehr als vier Monaten wurden in Gaza mehr Kinder, mehr Journalisten, mehr medizinisches Personal und mehr UN-Mitarbeiter als irgendwo sonst auf der Welt während eines Konflikts getötet. Mehr als 150 UNRWA-Gebäude wurden durch Bombardierung oder Granatenbeschuss getroffen, wobei über 390 Menschen getötet und über 1300 verletzt wurden. Die letzten verbliebenen Krankenhäuser brechen zusammen, Ärzte amputieren Kindern ohne Betäubung Gliedmaßen. UN-Experten zufolge steht eine Hungersnot unmittelbar bevor.
Ein Kollaps der UNRWA hat nicht nur schwerwiegende Folgen für den regionalen Frieden, die Sicherheit und die Menschenrechte. Kurzfristig wird die Auflösung des UNRWA eine Bewältigung der humanitären Krise im Gazastreifen verhindern – mit noch katastrophaleren Folgen für die Zivilgesellschaft als ohnehin schon – und die Krise im Westjordanland verschärfen. Längerfristig wird damit die stabilisierende Rolle des UNRWA in der Region beendet.
„Als Israel Anschuldigungen gegen die UNRWA erhob, ohne Beweise vorzulegen, setzten 16 Geberländer, darunter auch Österreich, ihre Zahlungen an das Hilfswerk mit sofortiger Wirkung und bis heute aus“, so Botschafter Abdel Shafi. „Genau diese Staaten haben trotz der jahrzehntelangen, bewiesenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit von Seiten Israels und trotz des aktuellen Urteils des Internationalen Strafgerichtshofs nicht eine einzige Überprüfung der Militärhilfen, der Handelsabkommen oder der diplomatischen Beziehungen mit Israel vorgenommen.“
Weiterführende Informationen:
The Guardian: US intelligence casts doubt on Israeli claims of UNRWA-Hamas links, report says
Letter from the Commissioner General to the President of the UN General Assembly
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