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Neuer UN-Bericht über israelische Kriegsverbrechen in Gaza

Am 8. November 2024 veröffentlichte das UN-Menschenrechtsbüro (OHCHR) unter der Leitung von UN-Hochkommissar Volker Türk einen neuen Bericht, in dem die erschütternde Realität der Menschen in Gaza im Zeitraum von November 2023 bis April 2024 beschrieben wird.


Dabei wurden auch die Personalien jener Menschen überprüft, die in diesen sechs Monaten in Gaza durch israelische Angriffe getötet worden waren: Fast 70 Prozent der Todesopfer sind Kinder und Frauen, die am öftesten getötete Bevölkerungsgruppe sind Kinder:


„Dies zeigt auch, dass die Hauptopfer der Angriffe auf Wohngebäude Kinder waren, wobei die drei Alterskategorien, die bei den verifizierten Todesopfern am stärksten vertreten sind, die Fünf- bis Neunjährigen, die Zehn- bis Vierzehnjährigen und die 0 bis Vierjährigen sind, und zwar sowohl Jungen als auch Mädchen. Im Vergleich zu früheren Eskalationen wie 2021 und 2014 sind bei der aktuellen Eskalation Frauen (26 Prozent der verifizierten Todesopfer) und Männer (30 Prozent) in etwa gleich stark betroffen. Seit dem 7. Oktober 2023 war das jüngste von OHCHR verifizierte Opfer ein 24 Stunden alter Säugling und das älteste Opfer eine 97-jährige Frau.“


Weitere Auszüge aus dem Bericht:


  • „Unter den von OHCHR überprüften Todesopfern und in Anlehnung an Entwicklungen, die aus anderen Daten ersichtlich sind, trugen viele, die am selben Tag und am selben Ort getötet wurden, dieselben Nachnamen, woraus sich schließen lässt, dass Familien gemeinsam getötet wurden, oft in ihren Häusern. Die Angriffe der israelischen Armee auf Wohngebäude haben zu einer schockierenden Zahl von Todesfällen ganzer Familien geführt. Bis zum 31. August 2024 hatte OHCHR 200 Familien verifiziert, die zwischen fünf und neun Mitglieder verloren hatten, 172 Familien, die zwischen zehn und 19 Mitglieder verloren hatten, 69 Familien, die zwischen 20 und 29 Familienmitglieder verloren hatten, und 43 Familien, die mehr als 30 Mitglieder verloren hatten. Die tatsächlichen Zahlen sind wahrscheinlich wesentlich höher. Die beiden Familien mit der höchsten nachgewiesenen Zahl von Todesopfern waren die Familie Al Najjar mit 138 getöteten Mitgliedern (bei 18 Angriffen), darunter 35 Frauen und 62 Kinder, und die Familie Al Astal mit 94 getöteten Mitgliedern (bei acht Angriffen), darunter 33 Frauen und 45 Kinder.“ (Key trends from fatalities verified, Seite 11)

 

  • „Bei Angriffen auf Krankenhäuser und Schulen behaupteten die israelische Armee, dass „terroristische Organisationen“ diese Einrichtungen für militärische Zwecke genutzt hätten. Im Zuge des Angriffs auf das Al Shifa Krankenhaus im November 2023 veröffentlichte die israelische Armee beispielsweise mehr als 27 Erklärungen, in denen sie behauptete, dass das Al Shifa Krankenhaus von der „Hamas“ genutzt werde und dass die Organisation zivile Infrastrukturen wie Krankenhäuser und ZivilistInnen als menschliche Schutzschilde benutze. In den meisten Fällen legten die IDF keine konkreten Beweise vor, um ihre Behauptungen zu untermauern, und das OHCHR war nicht in der Lage, sie separat zu überprüfen.“ (Use of human shields, Seite 12)


  • „Während des berichteten Zeitraums sammelte OHCHR Informationen über Vorfälle, bei denen israelische Truppen vor Ort im Gazastreifen ZivilistInnen angriffen und töteten, auch durch Massenhinrichtungen. OHCHR sammelte Informationen, wonach die israelische Armee am 19. Dezember 2023 mindestens elf palästinensische Männer im Gebiet Al Remal in Gaza-Stadt massenexekutiert haben sollen.“ (Other unlawful killings, Seite 13)

 

  • „Zwischen dem 6. November 2023 und dem 13. Februar 2024 wurde Berichten zufolge in Gaza-Stadt bei mindestens sechs verschiedenen Gelegenheiten weiße Phosphormunition eingesetzt, unter anderem im Ash Shati'-Lager; zwischen dem 18. November und dem 20. Dezember 2023 im nördlichen Gazastreifen bei mindestens vier verschiedenen Gelegenheiten in Jabalya, einschließlich des Jabalya-Flüchtlingslagers (dem größten Flüchtlingslager im Gazastreifen); zwischen dem 5. und 17. November 2023 bei zwei Gelegenheiten in Beit Lahiya; zwischen dem 5. und 14. Dezember 2023 in Khan Younis bei mindestens drei Gelegenheiten – zu einer Zeit, als dieses Gebiet aufgrund der vorangegangenen Evakuierung von Bewohnern aus dem Norden des Gazastreifens eine wesentlich höhere Bevölkerungsdichte aufwies; und zwischen dem 20. Dezember 2023 und dem 27. Februar 2024 bei mindestens neun Gelegenheiten in Deir al Balah, Al Bureij, Al Maghazi und Al Nuseirat. OHCHR bestätigte einen Vorfall am 25. Dezember, bei dem ein Kleinkind in einer Schule im Lager Al Bureij durch weißen Phosphor verbrannt wurde. Darüber hinaus sammelte OHCHR Berichte von medizinischen Fachkräften im Gazastreifen über ihre Beobachtungen von PatientInnen, die seit dem 7. Oktober 2023 mit Symptomen eingeliefert wurden, die mit der Einwirkung von weißem Phosphor in Verbindung gebracht werden, einschließlich sehr tiefer Verbrennungen.“ (Use of white phosphorus, Seite 16)

 

  • Anfang April 2024 waren mehr als 1,1 Millionen Menschen im Gazastreifen mit einer extremen Ernährungsunsicherheit konfrontiert (…). Nach Angaben des Gesundheitsministeriums des Staates Palästina waren bis zum 25. April mindestens 28 Personen, die meisten von ihnen unter 12 Jahren, an Unterernährung und Dehydrierung gestorben, obwohl das tatsächliche Ausmaß der Hungertoten wahrscheinlich höher ist. Ärzte des Kamal Adwan Krankenhauses im nördlichen Gazastreifen berichteten Ende März, dass täglich 15 Kleinkinder mit akuter Unterernährung und fortgeschrittener schwerer Dehydrierung eintrafen. (…) Trotz verbindlicher Anordnungen des Internationalen Gerichtshof und Zusagen der israelischen Behörden hat Israel während des Berichtszeitraums keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen, um die Hungersnot abzuwenden und den Hunger zu beenden. (…) Das Aushungern von ZivilistInnen als Methode der Kriegsführung ist nach dem humanitären Völkerrecht verboten und stellt ein Kriegsverbrechen dar. In diesem Zusammenhang ist es auch verboten, Einrichtungen anzugreifen, zu zerstören, zu entfernen oder unbrauchbar zu machen, die für das Überleben der Zivilbevölkerung unentbehrlich sind, Lieferungen mit dem Ziel zu blockieren, die Zivilbevölkerung auszuhungern; oder ZivilistInnen auszuhungern, indem Hilfslieferungen vorsätzlich behindert werden, wie in den Genfer Konventionen festgelegt. Die kollektive Bestrafung der palästinensischen Bevölkerung, einschließlich der Verweigerung von Gütern, die für ihr Überleben unentbehrlich sind, stellt ebenfalls ein Kriegsverbrechen dar. Darüber hinaus besagen die internationalen Menschenrechte, dass „ein Volk in keinem Fall seiner eigenen Lebensgrundlage beraubt werden darf“. Das Aushungern von ZivilistInnen kann unter bestimmten Umständen auch ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, wenn es als Teil eines weitverbreiteten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung und in Kenntnis des Angriffs begangen wird.“ (Limitations on humanitarian aid, leading to starvation and hunger, Seite 18)

 

  • Bei den Angriffen der israelischen Armee auf Krankenhäuser handelte es sich um direkte Angriffe, Belagerungen, den Einsatz von Scharfschützen, Überfälle und die offensichtlich willkürliche Inhaftierung und Misshandlung von medizinischem Personal, PatientInnen und ihren BegleiterInnen sowie von Binnenvertriebenen, die in Krankenhäusern untergebracht waren. Medizinisches Personal wurde in großer Zahl getötet. Bis zum 11. April 2024 waren nach Angaben der Palästinensischen Rothalbmondgesellschaft (PRCS) mindestens 27 ihrer Mitglieder getötet worden. Die israelische Armee hat Behauptungen aufgestellt, dass „Hamas-Terroristen“ in einigen Krankenhäusern operierten, was nicht unabhängig überprüft werden konnte. Doch selbst wenn sich die Behauptungen bewahrheiten sollten, dass sich Mitglieder des bewaffneten Flügels der Hamas in diesen Krankenhäusern aufhielten, entbindet dies Israel nicht von seiner Verpflichtung, die grundlegenden Prinzipien des humanitären Völkerrechts in Bezug auf Unterscheidung, Verhältnismäßigkeit und Vorsichtsmaßnahmen bei Angriffen vollständig einzuhalten.“ (Attacks on hospitals and killing of medical personnel, Seite 19)

 

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, fordert die UN-Mitgliedstaaten auf, im Einklang mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen Waffenverkäufe oder -transfers sowie die Bereitstellung militärischer, logistischer oder finanzieller Unterstützung für Israel zu überprüfen, und diese Unterstützung zu beenden, wenn die Gefahr besteht, dass dadurch schwerwiegende Verstöße gegen das Völkerrecht begangen werden.




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