Kriegsverbrechen: Israel exekutiert 15-köpfiges Rettungsteam
- office16022
- 8. Apr.
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Am 24. März 2025 berichtete das United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (UNOCHA) erstmals darüber, dass die israelische Armee am Tag zuvor in Rafah Krankenwägen der Palästinensischen Rothalbmondgesellschaft (PRCS) angegriffen hat. Ab diesem Tag war die Kommunikation mit dem 15-köpfigen Rettungsteam – bestehend aus acht Sanitätern des Palästinensischen Roten Halbmonds (PRCS), sechs Mitgliedern der Such- und Rettungsteams des palästinensischen Zivilschutzes und einem UN-Mitarbeiter – vollständig unterbrochen, ihr Schicksal und Wohlergehen ungewiss.
Wie Jonathan Whittall, Leiter des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten in Gaza, berichtete, versuchte die UN fünf Tage lang, sich mit dem israelischen Militär abzustimmen, um in das Gebiet zu gelangen, in dem das Rettungsteam verschwunden war. Schlussendlich wurde die Erlaubnis erteilt und die UN-Teams machten sich auf den Weg. Bereits auf der Fahrt zum Gebiet, in dem man das Rettungsteam vermutete, wurden sie Zeugen von Kriegsverbrechen, wie Whittall berichtete: die UN-Teams trafen „auf Hunderte von ZivilistInnen, die unter Beschuss flohen“ und „wurden Zeugen, wie einer Frau in den Hinterkopf geschossen wurde. Als ein junger Mann versuchte, ihr zu helfen, wurde auch er erschossen. Wir konnten ihre Leichen mit unserem UN-Fahrzeug bergen“, so Whittall.
Sechs Tage, nachdem sie den Kontakt zu den Ersthelfern verloren hatten, fanden UN-Teams nicht nur die Krankenwagen, das Feuerwehrauto und das Fahrzeug der Vereinten Nationen „zerquetscht und teilweise vergraben“, sondern auch ein Massengrab. Whittall veröffentlichte Bilder und Videos von Teams des Roten Halbmonds, wie sie im Sand nach ihren Kollegen graben. „Sie wurden in ihren Uniformen getötet. Sie fuhren ihre deutlich gekennzeichneten Fahrzeuge. Sie trugen sogar noch ihre Handschuhe. Sie waren auf dem Weg, um Leben zu retten,“ so Whittal.
Der Gerichtsmediziner Ahmad Dhaher, der nach dem Angriff fünf der Toten untersucht hat, berichtete: „Alle bis auf einen wurden mit mehreren Kugeln getötet.“ Erste Untersuchungen legen nahe, dass sie exekutiert worden sind. Die Schüsse sind sehr gezielt und auf bestimmte Körperteile gerichtet gewesen und wahrscheinlich „nicht aus der Ferne“ abgegeben worden.
Die israelische Armee teilte in einer Erklärung mit, dass seine Truppen auf mehrere Fahrzeuge geschossen hätten, die sich „ohne Scheinwerfer oder Notsignale verdächtig auf [israelische] Truppen zubewegt“ hätten. Die Bewegung der Fahrzeuge sei nicht im Voraus mit dem israelischen Militär abgestimmt worden, und das Gebiet sei eine „aktive Kampfzone“. Zudem seien neun Mitglieder der Hamas und des Islamischen Dschihad bei dem Angriff getötet worden. Beweise für diese Behauptungen wurden nicht vorgelegt.
Das Rote Kreuz und die Sanitäter widersprachen diesen Behauptungen sofort und vehement. Tel al-Sultan war zum entsprechenden Zeitpunkt als sicher eingestuft worden und eine Koordinierung mit der israelischen Armee daher gar nicht erforderlich gewesen.
Am 4. April veröffentlichte die New York Times ein Video, das von einem hochrangigen UN-Diplomaten an die Zeitung geleaked worden war. Das Video wurde auf dem Mobiltelefon von einem der getöteten und im Massengrab verscharrten Rettungssanitäter, Rifat Radwan, gefunden. Das Filmmaterial widerlegt die israelischen Behauptungen vollständig und lieferte neue Beweise dafür, dass die vom Angriff betroffenen Fahrzeuge deutlich gekennzeichnet und ihre Scheinwerfer und ihre Signalbeleuchtung (Blaulicht) eingeschaltet waren. Der nachweisliche Angriff auf die Rettungskräfte ist ein Kriegsverbrechen.
Der britische Fernsehsender Sky News hat das Video und die Satellitenbilder ausgewertet, um den Ort und den Zeitpunkt der Aufnahmen zu überprüfen und zu verifizieren. Es wurde am 23. März nördlich von Rafah gefilmt und zeigt einen Konvoi aus gekennzeichneten Krankenwagen und einem Feuerwehrfahrzeug, der auf einer Straße in Richtung Stadtzentrum fährt. Alle im Konvoi sichtbaren Fahrzeuge haben ihre Signallichter eingeschaltet. Das Video wurde am frühen Morgen aufgenommen.
Das Filmmaterial wird zunächst aus dem Inneren eines fahrenden Fahrzeugs gefilmt, wobei durch die Windschutzscheibe eine Fahrzeugkolonne zu sehen ist – darunter Krankenwagen und ein Feuerwehrfahrzeug mit blinkenden Signallichtern. Als der Konvoi anhält, ist ein Rettungsfahrzeug zu sehen, das auf der linken Seite von der Straße abgekommen ist. Eine Männerstimme sagt: „Es scheint ein Unfall gewesen zu sein.“ „Das ist der Wagen, oh Gott, ich hoffe, es geht ihnen gut“, ist dann zu hören. „Da liegen sie, schnell.“ Dann steigen mindestens vier der Männer aus, drei von ihnen tragen rote Einsatzkleidung mit grellen Reflexionsstreifen. Wenige Sekunden später bricht ein Kugelhagel los.
Der junge Sanitäter Rifat Radwan, der das Video filmte, sagt, dass Israelis da sind. Dann beginnt er, das muslimische Glaubensbekenntnis, das rezitiert wird, wenn man sich dem Tod nahe wähnt, zu sprechen. Seine letzten Gedanken und Worte gelten seiner Mutter, die er um Vergebung bittet: „Bitte verzeih mir, Mutter, ich habe diesen Weg gewählt, Mutter, um den Menschen zu helfen, verzeih mir, Mutter, ich schwöre, ich habe diesen Weg nur gewählt, um den Menschen zu helfen.“
Dann wird der Bildschirm schwarz, das Telefon nimmt noch minutenlang Schüsse auf.
Seit Beginn des genozidalen Krieges gegen den Gazastreifen im Oktober 2023 haben die israelischen Streitkräfte mindestens 105 Mitglieder des Zivilschutzes, 27 PRCS-Sanitäter und 284 Mitarbeiter von UN-Organisationen getötet.
„Allen Opfern wurde in den oberen Teil ihres Körpers geschossen, mit der Absicht, sie zu töten. (…) In diesem Krieg wurden viele schreckliche Rekorde gebrochen“, so Younes Al-Khatib, Präsident der Palästinensischen Rothalbmondgesellschaft, „im Krieg gegen den Gazastreifen sind so viele MitarbeiterInnen von Hilfsorganisationen getötet worden wie noch in keinem anderen Konflikt zuvor.“ Al-Khatib fordert eine unabhängige und unparteiische internationale Untersuchungskommission.

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Informationen entnommen aus:
X-Account von Jonathan Whittall, Leiter des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten in Gaza (30. März 2025)
Video Shows Aid Workers Killed in Gaza Under Gunfire Barrage, With Ambulance Lights On
The New York Times, 4. April 2025
Video emerges of aid workers being fired on in Gaza - contradicting Israeli account of deadly attack
The bodies of 15 aid workers were found in a "mass grave" after the incident.
UN: Gaza aid worker killings: One humanitarian still missing in mass grave
UN: Following Discovery of Mass Grave in Gaza with Bodies of 15 Aid Workers, Human Rights Chief Warns Security Council about Heightened Risk of Atrocity Crimes
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