„Die UNRWA hat mit 13 000 MitarbeiterInnen und 300 Gebäuden die größte UN-Präsenz in Gaza. Die Organisation ist entscheidend für die Unterstützung der leidgeprüften Bevölkerung und des Waffenstillstands. Und doch werden unsere Operationen in den besetzten palästinensischen Gebieten in zwei Tagen stillgelegt, wenn ein von der israelischen Knesset verabschiedetes Gesetz in Kraft tritt.
Auf dem Spiel stehen das Schicksal von Millionen von PalästinenserInnen, der Waffenstillstand und die Aussichten auf eine politische Lösung, die dauerhaften Frieden und Stabilität bringt.
Die [israelischen] politischen Angriffe auf die Organisationen sind einzig vom Wunsch motiviert, den PalästinenserInnen ihren Flüchtlingsstatus zu entziehen und damit einseitig die seit langem bestehenden Parameter für eine politische Lösung zu verändern. Das Ziel ist es, den palästinensischen Flüchtlingen das Recht auf Selbstbestimmung zu verweigern und ihre Geschichte und Identität auszulöschen.“
„Seit Oktober 2023 haben wir zwei Drittel der gesamten Nahrungsmittelhilfe geliefert, über eine Million Vertriebene untergebracht und eine Viertelmillion Kinder gegen Polio geimpft. Seit Beginn des Waffenstillstands hat UNRWA 60 Prozent der in den Gazastreifen eingeführten Nahrungsmittel geliefert und damit mehr als eine halbe Million Menschen erreicht.“
Generalkommissar Philippe Lazzarini, in einer Rede vor den Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats, 28.01.2025
„87 Prozent der Häuser sowie Schulen, Straßen und Krankenhäuser in Gaza sind beschädigt oder vollkommen zerstört wurden. 1,34 Millionen Menschen benötigen dringend Unterstützung für Notunterkünfte. Die UNRWA kann durch keine andere der humanitären Organisationen vor Ort ersetzt werden. Wir alle sind auf die logistischen Kapazitäten der UNRWA angewiesen. Wir arbeiten beispielsweise in den Schulen der UNRWA. Sie ist verantwortlich für eine umfangreiche Hilfsoperation in der Stunde der größten Not für die palästinensische Zivilbevölkerung in Gaza.“
Jan Egeland, Generalsekretär des Norwegischen Flüchtlingsrats (NRC), 28.01.2025
„Israels Schließung des UNRWA-Büros im besetzten Ost-Jerusalem am 30. Januar ist ein weiterer Ausdruck der zunehmenden Aggression und unerbittlichen Landnahme und Annexionspläne Israels. Derartige rechtswidrige Handlungen werden weiterhin durchgeführt, allesamt unter Verletzung der Charta und zahlloser anderer Regeln des Völkerrechts, einschließlich der Vierten Genfer Konvention, sowie von UN-Resolutionen und unter Missachtung der Urteile des Internationalen Gerichtshofs. Da die Zahl der Opfer der israelischen Gewalt im gesamten besetzten Palästina weiter ansteigt, appellieren wir erneut an die internationale Gemeinschaft, jetzt zu handeln, um das Völkerrecht zu wahren und die Ausübung dieser Verbrechen gegen das palästinensische Volk zu stoppen und sofort zu handeln, um diese schändliche, völkerrechtswidrige Besatzung ein für alle Mal zu beenden. Insbesondere der UN-Sicherheitsrat hat die Pflicht, unverzüglich zu handeln.“
Riyad Mansour, Ständiger Vertreter Palästinas bei den Vereinten Nationen in New York, 3.02.2025
„Die UNRWA ist für Generationen von PalästinenserInnen nicht nur eine Organisation, sondern das Leben selbst. Von der Geburt bis zur Ausbildung ist die UNRWA ein fester Bestandteil ihres Lebens. Insbesondere hervorzuheben ist auch die wichtige Rolle der UN-Organisation während der 15-monatigen israelischen Offensive in Gaza. UNRWA ist das Rückgrat der humanitären Hilfe, und ihre Rolle bleibt auch nach dem Waffenstillstand unersetzlich und unverzichtbar.“
Amar Bendjama, Ständiger Vertreter Algeriens bei den Vereinten Nationen in New York, 28.01.2025
„Israel wird jede Zusammenarbeit, Kommunikation und jeden Kontakt mit der UNRWA oder denjenigen, die in ihrem Namen handeln, beenden. Es ist an der Zeit, dass Sie ebenso wie wir akzeptieren, dass die UNRWA in jedem Aspekt ihres Mandats und ihrer Verantwortung versagt hat – sowohl moralisch als auch fachlich. Die Schließung der UNRWA-Aktivitäten in Israel markieren den Beginn eines neuen Kapitels, das auf Würde, Sicherheit und Fortschritt ausgerichtet ist. Ich fordere die internationale Gemeinschaft dazu auf, sich zu entscheiden, ob sie weiterhin eine Organisation finanzieren will, die Hass sät, oder ob sie ein System fördern will, das die Koexistenz fördert.“
Danny Danon, Ständiger Vertreter Israels bei den Vereinten Nationen in New York, 28.01.2025
Israels Verbot der UNRWA, einer der wichtigsten Organisationen, die humanitäre Hilfe im Gazastreifen leistet, ist am vergangenen Donnerstag (30. Jänner 2025) in Kraft getreten. Das israelische Gesetz über den Bann des Hilfswerks der Vereinten Nationen lässt unzählige Fragen darüber offen, wer die Lücken in den dringend benötigten humanitären Diensten füllen wird, die derzeit von der größten UN-Organisation im Gazastreifen bereitgestellt werden. Die israelische Regierung hat nicht dargelegt, wie sie gedenkt, die Arbeit der UNRWA – in Gaza, im Westjordanland und in Ostjerusalem – zu ersetzen.
Schon seit Jahren ist die UNRWA Zielscheibe israelischer Kritik. In jüngster Zeit behauptete Israel, dass eine Handvoll palästinensischer Mitarbeiter der Organisation am Hamas-Anschlag vom 7. Oktober beteiligt gewesen sein sollen. Zahlreiche Geberländer, so auch Österreich und Deutschland, stellten ihre Hilfszahlungen an die UNRWA daraufhin (vorübergehend, nachdem keine Beweise für diese Behauptungen vorgelegt wurden und Untersuchungsberichte zu einem differenzierteren Ergebnis kamen) ein. Im August 2024 wurden neun UNRWA Mitarbeiter, die „möglicherweise an den bewaffneten Angriffen vom 7. Oktober 2023 beteiligt waren“ (O-Ton Farhan Haq, stellvertretender Sprecher des UN-Generalsekretärs) entlassen. Die UNRWA hat insgesamt mehr als 30.000 MitarbeiterInnen.
Am vergangenen Mittwoch wiederholten israelische PolitikerInnen die Anschuldigungen gegen die UNRWA und behaupteten, die Agentur sei voll von „Hamas-Agenten“. „UNRWA ist gleichbedeutend mit der Hamas“, so beispielsweise David Mencer, ein israelischer Regierungssprecher. Obwohl diese Behauptung von Israel erneut nicht durch Beweise gestützt wurde bzw. wird, erklärte Mencer: „Israel hat unwiderlegbare Beweise dafür vorgelegt, dass die UNRWA von Hamas-Agenten durchsetzt ist.“
Die UNRWA hat seit Beginn der israelischen Angriffe auf Gaza mehr als zwei Drittel der gesamten Nahrungsmittelhilfe geliefert und mehr als eine Million Menschen untergebracht. Zwar sind auch andere Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UNICEF im Gazastreifen tätig, doch wie die Vereinten Nationen erklärten, gibt es keine Alternative zum Umfang und zur Tiefe der Arbeit der UNRWA, die die Bereitstellung von Unterkünften, Gesundheitsfürsorge und medizinischer Hilfe, Bildungs- und Beschäftigungsdiensten sowie psychologische Unterstützung für Kinder und Erwachsene umfasst.
Das Verbot werde den Waffenstillstand gefährden und die Zukunft des Gazastreifens sabotieren, so der Leiter der UNRWA, Generalkommissar Philippe Lazzarini, in einer Rede am letzten Dienstag vor den Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats. Hochrangige UN-Beamte und alle Mitglieder des Sicherheitsrats mit Ausnahme der USA – Israels engstem Verbündeten – bezeichneten Israels Vorgehen als Verstoß gegen das Völkerrecht und gegen seine Verpflichtungen aus der UN-Charta.
Die Ausweisung des Hilfswerks wird auch die Hilfe für die Bevölkerung im Westjordanland und in Ostjerusalem massiv gefährden. In den Flüchtlingslagern im Westjordanland und Ostjerusalem ist die UNRWA beispielsweise für Schulbildung, medizinische Versorgung, Ausgabe von Grundnahrungsmitteln und die Müllabfuhr zuständig. Es wird erwartet, dass die palästinensische Bevölkerung im kriegszerstörten Gazastreifen und im besetzten Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalem, am stärksten vom Verbot betroffen sein wird, darunter auch die etwa 30 000 UNRWA-MitarbeiterInnen.
Die Durchsetzung des Verbots hatte die Schließung des Hauptsitzes der UN-Organisation in Ostjerusalem zur Folge. „Die israelische Regierung hat öffentlich erklärt, dass der Zweck der Räumung des UNRWA-Gebäudes in Sheikh Jarrah darin besteht, illegale israelische Siedlungen im besetzten Ost-Jerusalem zu erweitern“, erklärte die UNRWA in einem Statement am 26. Jänner 2025. Und: „Diese Anordnung steht im Widerspruch zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Staates Israel, der – wie alle UN-Mitgliedstaaten – das Übereinkommen über die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen unterzeichnet hat. Die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen, einschließlich der UN-Räumlichkeiten, müssen respektiert werden. Das Eigentum und die Vermögenswerte des UNRWA, auch in Ostjerusalem, sind immun gegen Beschlagnahme, Einziehung, Enteignung, Durchsuchung und jede andere Form der Einmischung.“
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Informationen entnommen aus:
Israel's looming UNRWA ban a catastrophe, UN Palestinian refugee agency warns
Von Yolande Knell, BBC, 29.01.2025
Unrwa closure imminent as last-bid attempts to stop Israeli ban fail
Von Peter Beaumont, The Guardian, 29.01.2025
Israel UNRWA ban will undermine Gaza ceasefire, Security Council hears
UN News, 28.01.2025
Israel bands UNRWA as Trump throttles foreign aid
Von Akela Lacy, The Intercept, 29.01.2025
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