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Dr. Feroze Sidhwa: „Es ist erschütternd.“

Dr. Feroze Sidhwa ist ein amerikanischer Unfallchirurg und derzeit auf medizinischer Mission im Nasser Medical Complex in Khan Younis, Gaza.

Aufgezeichnet von Democracy Now, 18.03.2025

(Originalbeitrag in englischer Sprache)

 

Hier spricht Feroze Sidhwa. Ich bin Unfallchirurg in Kalifornien und arbeite derzeit als Freiwilliger im Nasser Medical Complex in Khan Younis auf der westlichen Seite von Khan Younis in Gaza.


Über Nacht haben die Israelis die Bombardierung des Gazastreifens wieder aufgenommen. Jüngsten Berichten zufolge wurden dabei etwa 400 Menschen getötet. Ich weiß, dass mindestens 40 von ihnen tot in unserem eigenen Krankenhaus ankamen. Sicherlich starben noch viel mehr, und viele weitere werden noch in Zukunft sterben.


Ich glaube, ich habe über Nacht – es fällt mir schwer, mich jetzt zu erinnern, aber ich glaube, ich habe sechs Operationen durchgeführt. Ich bin gerade dabei, eine siebte vorzubereiten und durchzuführen. Ich bitte um Verständnis, dass ich deshalb nicht live zugeschaltet werden kann. Wissen Sie, die Hälfte davon waren Kinder. Die Hälfte der PatientInnen, die ich in der Notaufnahme sah, waren ebenfalls Kinder, genau wie beim letzten Mal, als ich vor etwa einem Jahr im Gaza European Hospital war. Die Hälfte der Opfer waren Kinder. Die Hälfte der Operationen, die ich durchgeführt habe, waren Kinder. Wahrscheinlich wird ein gutes Drittel von ihnen sterben. Wir können zwar die ersten Operationen durchführen, aber wir verfügen nicht über die Einrichtungen oder die Fähigkeit, sie danach richtig zu versorgen.


Hinzu kommt, dass sie alle unterernährt eingeliefert werden. Sie sind alle dehydriert. Sie alle hatten in den letzten 15 Monaten ständig Gastroenteritis. Alle Menschen hier sind einfach am Boden zerstört, und das führt zu schlechten gesundheitlichen Ergebnissen, wie Sie sich vorstellen können, vor allem, wenn einem die Eingeweide aufgerissen werden.


Der Schwiegervater einer meiner palästinensischen Kollegen wurde erst vor ein paar Stunden getötet. Mein Kollege war für die Triagierung in der Notaufnahme zuständig und sorgte dafür, dass die Menschen, die es wirklich nötig hatten, ins Krankenhaus kamen, während die so genannten „walking wounded“, also jene Verletzten, die warten konnten, bis sie behandelt wurden, an einem anderen Ort untergebracht wurden. Sein Schwiegervater wurde getötet, und er erfuhr davon etwa eine Stunde nach dem Masseneinfall von Verletzten, er arbeitete einfach weiter und besuchte ihn erst, als er heute Morgen bereits beerdigt worden war, weil er sich um seine PatientInnen kümmern musste.


Eine der Frauen, die ich operiert habe, eine 29-jährige Frau, hatte ein, ich weiß nicht, wahrscheinlich tennisballgroßes Loch im Kreuzbein, dem untersten Knochen der Wirbelsäule, sozusagen zwischen Wirbelsäule und Becken, das im Grunde das ganze Kreuzbein ausmacht. Und ihr Rektum wurde in zwei Hälften gerissen. Ihre Blase ist verletzt. Ihre Vagina ist verletzt. Wissen Sie, sie ist eine 29-jährige Frau. Sie ist die Schwester von einem der Ärzte, der im Krankenhaus arbeitet. Das habe ich erst herausgefunden, nachdem ich sie operiert hatte. Und, ja, wissen Sie, es ist einfach - es ist offensichtlich ziemlich, ziemlich erschütternd.


Ich habe geahnt, dass der Krieg wieder aufflammen würde, während ich als Freiwilliger an dieser Mission teilnehme, denn die Israelis kündigten im Grunde an, dass sie ihn wieder aufnehmen würden. Aber trotzdem ist es herzzerreißend zu sehen, dass die PalästinenserInnen in den letzten 15, 16 Monaten gezwungen waren, alles zu tun, um zu überleben. Sie hatten etwa anderthalb Monate Pause, ein bisschen Normalität, die Möglichkeit, während des Ramadan mit ihren Familien zu essen, wenn auch in einem Zelt, die Möglichkeit, Wasser zu trinken, das zumindest entsalzt, wenn nicht sogar sauber und für den menschlichen Verzehr geeignet war. Das alles ist nun wieder weg.


Und das alles nur, weil wir die Finanzierung, die diplomatische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung bereitstellen. Und das sollten wir nicht. Unter Biden sollten wir das nicht. Und unter Trump sollten wir es ganz sicher nicht. Trump sagt, er wolle die endlosen Kriege beenden. Na gut, dann tu es. Das ist gar nicht so schwer. Man muss nur aufhören, die Waffen dafür zu liefern. Ich hoffe einfach, dass die Menschen etwas dagegen tun und nicht zulassen, dass so etwas noch einmal passiert, eine weitere Runde von extremen, sinnlosen Massentötungen, vor allem von Kindern, vor allem von Flüchtlingen, und vor allem von Menschen, die buchstäblich daran gehindert werden, dieses Konzentrationslager zu verlassen, in das sie hineingeboren wurden.



Dr. Feroze Sidhwa
Dr. Feroze Sidhwa

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