Von Zeena Saifi, Abeer Salman, Jeremy Diamond und Tareq ElHelou, CNN, 24. Jänner 2025
(Vollständiger Artikel in englischer Sprache)
Der dreizehnjährige Zakariya Barbakh hatte die meiste Zeit seines Lebens damit verbracht, zwischen Krankenhäusern im Gazastreifen, im besetzten Westjordanland und in Israel hin und her zu pendeln. Da er mit nur einer Lunge geboren wurde, hatte er Probleme beim Atmen. Die Ärzte hatten vorausgesagt, dass er eine Transplantation benötigen würde, wenn er das Erwachsenenalter erreichen sollte. Doch die letzten 15 Monate des Krieges in Gaza hatten dies unmöglich gemacht.
Als am Sonntag der Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas in Kraft trat, war Zakariya überglücklich. „Mama, jetzt können wir nach meiner Lunge suchen“, sagte er laut seiner Mutter.
Weniger als 24 Stunden später wurde Zakariya erschossen.
Nach Angaben von Ärzten des Nasser-Krankenhauses gab ein israelischer Scharfschütze am Montag [20. Jänner 2025, Anm.] in der südlichen Stadt Rafah den tödlichen Schuss ab. Zakariyas Familie erklärte gegenüber CNN, er habe Holz zum Kochen und Heizen gesucht.
„Er ist nicht an seiner Krankheit gestorben, sondern durch die Besatzung. Alles, was er wollte, war, eine Lunge zum Atmen zu haben, was hat er getan, um das zu verdienen? Was hat dieses Kind getan?“, sagt seine Mutter, die ihre Tränen nicht zurückhalten kann.
Das israelische Militär erklärte gegenüber CNN, dass es von dem Vorfall nichts wisse.
Zakariya ist einer von mindestens vier Palästinensern, die seit Inkrafttreten des Waffenstillstands vom israelischen Militär erschossen wurden. Das israelische Militär hat sich in Pufferzonen entlang der Grenze zum Gazastreifen zurückgezogen, warnt die PalästinenserInnen jedoch davor, sich Gebieten zu nähern, in denen noch Truppen stationiert sind. Das israelische Militär hat eine Karte mit Zonen veröffentlicht, in denen es „sehr gefährlich“ ist, sich ihnen zu nähern.
Doch wo diese Zonen beginnen und enden, ist vor Ort nicht immer klar erkennbar.
„Woher sollte er wissen, dass er auf Besatzungstruppen treffen würde? Woher sollte er wissen, dass er in der falschen Gegend war? Er hat nur versucht, etwas zu essen zu finden. Er hat sich auf dem Weg verirrt. Sehen Sie nicht, wie dieses Kind aussieht? Er sieht krank und verzweifelt aus“, so seine Mutter.
Ein dramatisches Video, das die Folgen des Vorfalls zeigt, wurde im Internet weit verbreitet. CNN zeigte Zakariyas Familie das Video, und seine Eltern bestätigten, dass es sich um ihren Sohn handelt. Das Video zeigt einen Mann, der versucht, Zakariyas leblosen Körper hochzuziehen, bevor auch er niedergeschossen wird. Der Mann überlebte.
Die Nachricht, dass Israel und die Hamas ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen haben, löste am vergangenen Mittwoch im gesamten Gazastreifen Jubel aus. In mehreren Gebieten wurden diese Feiern jedoch bald vom Lärm der israelischen Luftangriffe übertönt.
In den vier Tagen zwischen der Bekanntgabe des Abkommens und seinem Inkrafttreten am Sonntagmorgen wurden nach Angaben des Zivilschutzes im Gazastreifen bei israelischen Angriffen mindestens 142 PalästinenserInnen getötet, darunter Dutzende von Frauen und Kindern.
Unter ihnen waren auch Mitglieder der Familie des dreijährigen As'ad Khalifa. Weniger als 24 Stunden nach Bekanntgabe des Waffenstillstandsabkommens wurde sein Haus Ziel eines israelischen Luftangriffs. As'ad überlebte, aber nun ist er ein Waisenkind. Seine Eltern und seine Schwester wurden bei dem Angriff getötet.
Sein Nachbar Moutasem Dallou berichtet gegenüber CNN, der Einschlag sei mitten in der Nacht erfolgt und habe „den Boden zum Erschüttern gebracht“. Schrapnellsplitter haben auch Dallous Haus erreicht und seine kleinen Kinder in Angst und Schrecken versetzt. Dallou kannte die Familie gut, da sie zur gleichen Zeit durch den Krieg vertrieben worden waren. Zusammen mit anderen Nachbarn machte er sich auf die Suche nach ihnen unter den Trümmern. Mit einfacher Ausrüstung und bloßen Händen gelang es ihnen, die Leichen der Mutter und des Vaters freizulegen und zu bergen, aber die Kinder blieben verschwunden. Kurz bevor sie aufgeben wollten, hörten sie die Schreie eines Kindes und begannen verzweifelt, Zementblöcke beiseite zu schieben.
Nach zermürbenden 30 Minuten fanden sie inmitten der Trümmer eine kleine Hand, die sich in die Luft streckte. Es gelang ihnen, das Kind – As'ad – herauszuziehen, aufgeschürft und mit Staub bedeckt, aber lebend. Seine kleine Schwester wurde tot neben ihm gefunden. Dallou und seine Schwester Mawada haben ihn seitdem bei sich aufgenommen.
„Fast vier Stunden nach der Ankündigung des Waffenstillstands schickte uns As‘ads Mutter eine SMS, in der sie uns zu dieser Nachricht gratulierte. Nur Augenblicke später wurde sie getötet... Dieses Kind hat sowohl seine Mutter als auch seinen Vater in nur wenigen Sekunden verloren. Wegen der Entscheidung eines Piloten am Himmel hat dieses Kind alles verloren, was es im Leben hatte“, so Mawada gegenüber CNN.
In einer Erklärung gegenüber CNN erklärte das israelische Militär, es habe „eine Terrorinfrastruktur getroffen, in der sich ein Kommandeur der Hamas-Terrororganisation aufhielt“. Der Terrorist war für viele Raketenangriffe verantwortlich“. „Die IDF hat nachrichtendienstliche Maßnahmen ergriffen, um den Schaden für unbeteiligte Personen zu begrenzen“, heißt es in der Erklärung weiter.
Dallou hat Kinder im gleichen Alter wie As'ad, was dabei hilft, ihn in die Familie zu integrieren. Er ist jedoch besorgt darüber, wie As'ad aufwachsen wird: „Aus meiner Erfahrung mit meiner kleinen Tochter weiß ich, dass sich dieses Kind in einem schwierigen psychologischen Zustand befindet. Er versteinert jetzt bei jedem Geräusch... Und er fängt an, nach seiner Mutter zu weinen“, erzählt er.
Mawada sagte, da sie As'ads Mutter kenne, werde sie alles tun, um ihm beizustehen: „Wir werden unser Bestes versuchen, aber wir werden nicht in der Lage sein, seine Mutter zu ersetzen oder sie zurückzubringen.“

Comentarios