top of page

Bericht von DCI: „Sie haben versucht, uns zu vernichten":Palästinensische Kinder in Gaza wurden von israelischem Militär gefoltert

Neuer Bericht von DCIP (Defense for Children International-Palestine): Die israelische Armee nimmt systematisch palästinensische Kinder im Gazastreifen fest und foltert sie, einige von ihnen wurden auch als menschliche Schutzschilde missbraucht.


21. August 2024


(Originalbericht in englischer Sprache und dazugehörendem Bildmaterial)

 

 

Während eines israelischen Militäreinsatzes im Gebiet Al-Tuffah in Gaza-Stadt am 27. Dezember 2023 nahmen israelische Streitkräfte mindestens acht palästinensische Kinder fest und benutzten mehrere von ihnen als menschliche Schutzschilde, wie aus Unterlagen hervorgeht, die von Defense for Children International - Palestine (DCIP) gesammelt wurden. Die israelischen Streitkräfte hielten rund 50 Palästinenser fest, darunter die 13-jährigen Brüder Abdullah H. und Abdulrahman H. sowie den 12-jährigen Karim S. Israelische Soldaten zwangen die Kinder dazu, sich auszuziehen und fesselten ihre Hände, ehe sie sie zwangen, vor israelischen Panzern her zu laufen.

 

„Sie beschimpften uns, schlugen mich ins Gesicht und traten mich in den Bauch und in die Taille. Ich wäre fast an den Schlägen gestorben“, sagte Karim (12) gegenüber DCIP. „Dann zwangen sie uns, vor den Bulldozern und Panzern auf der Straße zu laufen, damit der Widerstand sie nicht ins Visier nimmt.“

„Sie hetzten Hunde auf uns, um mich zu erschrecken, schlugen mir auf den Kopf und zogen mir die Kleider aus“, so Abdulrahman (13) gegenüber DCIP. „Die Soldaten haben über unsere Köpfe hinweg geschossen und uns beschimpft. Wir saßen die ganze Nacht mitten im Al-Yarmouk-Stadion, den Kopf zwischen den Beinen, umgeben von Hunden, Soldaten und Panzern. Jeder, der um Wasser bat oder auf die Toilette musste, wurde mit dem Gewehr geschlagen“.

 

Seit dem Jahr 2000 hat das DCIP mindestens 31 Fälle registriert, in denen palästinensische Kinder von israelischen Streitkräften als menschliche Schutzschilde missbraucht worden waren. Sowohl das Völkerrecht als auch der Oberste Gerichtshof Israels verbieten den Einsatz von ZivilistInnen als menschliche Schutzschilde.

 

Während desselben Einmarsches in das Viertel Al-Tuffah hielten die israelischen Streitkräfte nach den von DCIP gesammelten Unterlagen mindestens fünf weitere palästinensische Kinder fest.

 

„Ich wurde terrorisiert, gedemütigt, geschlagen, beschimpft und mit Hunden bedroht“, so der 14-jährige Hasan S. gegenüber DCIP. „Als sie Teile des Hauses bombardierten, versuchten wir, unser Leben zu retten und das Haus zu verlassen, meine Mutter, mein Vater, meine kleinen Brüder, meine Schwestern und ich. Meine Mutter hisste gerade eine weiße Fahne, als die Soldaten über unsere Köpfe hinweg schossen und uns zwangen, vor dem Panzer auf der Salahaddin-Straße herzulaufen. Als wir die Shujaiyya-Kreuzung erreichten, fesselten sie uns, zogen uns aus, verbanden uns die Augen und ließen nur die Frauen Richtung Westen gehen.“

 

„Wir wurden mit Gewehrkolben geschlagen, und sie hetzten Hunde auf uns, die einige der Gefangenen anfielen“, sagte Hasans Vater. „Sie beschimpften uns mit den obszönsten Worten. Sie hinderten uns sogar daran, Wasser zu trinken. Soldatinnen kamen und spuckten uns ins Gesicht. Sie versuchten, uns auszulöschen. Wir blieben mehrere Stunden in diesem Zustand, bevor die Soldaten mich freiließen. Das Schicksal meines Sohnes Hasan und was sie ihm angetan haben, erfuhr ich erst einige Stunden später am Abend.“

 

„Sie behandelten uns wie Tiere, nicht wie Menschen. Als sie unser Haus betraten, schrien die Soldaten und feuerten überall Kugeln ab. Sie holten mich aus dem Haus und befahlen mir, mich auszuziehen, dann fesselten sie mich und verbanden mir die Augen“, so der 16-jährige Mohammad S. gegenüber DCIP. „Ich wurde ins Gesicht getreten, die Narben davon sind noch immer sichtbar. Sie zerrten mich auf den Boden, und ich blutete bei aus meinen Knien, Füßen, aus meinem Gesicht und meinem Kopf. Ich wusste nicht, wo ich war. Sie drohten, mich zu töten und meine Leiche den Hunden zum Fraß vorzuwerfen, und sie beschimpften mich ständig mit obszönen Worten, die ich noch nie gehört hatte.“

 

Nachdem die israelischen Streitkräfte die Tür seines Hauses mit einem Bulldozer zerstört hatten, drang eine kleine israelische Drohne in Mohammads Haus ein und begann, mit scharfer Munition zu schießen. Mohammad wurde von israelischen Soldaten festgenommen. Seine Familie wurde angewiesen, über die Al-Rashid-Straße in den südlichen Gazastreifen zu gehen, und verlor nach der erzwungenen Trennung den Kontakt zu ihrem Sohn, bis ein Nachbar ihnen mitteilte, dass Mohammad freigelassen und in der Kairo-Schule in Gaza-Stadt untergebracht worden war.

 

„Der Offizier sagte mir: 'Ihr seid alle Hamas', und dass er mich mit dem Messer in seiner Hand abstechen würde“, berichtete der 16-jährige Abdulmunim D. gegenüber DCIP. „Sie schlugen mich mit Gewehren auf den Kopf, den Rücken und die Hüfte, bis ich blutete.“

 

Abdulmunim und sein jüngerer Bruder Ali, 15, wurden am selben Tag von israelischen Streitkräften gewaltsam von ihrer Familie getrennt. Ähnlich wie im Fall von Shehada zogen die israelischen Streitkräfte Abdulmunim und Ali ihre Kleidung aus, verbanden ihnen die Augen, fesselten sie und schlugen sie mit Gewehren auf Kopf, Gesicht und Rücken. Abdulmunim und Ali wurden in der Kälte auf dem mit Steinen und Schotter bedeckten Boden zurückgelassen. Ali war durch die Schläge nicht in der Lage, seinen Kopf zu heben. Die beiden Kinder wurden einen ganzen Tag und eine ganze Nacht lang von den israelischen Streitkräften ohne Nahrung und Wasser festgehalten.

 

Die israelischen Streitkräfte hielten auch den 13-jährigen Ibrahim S. zusammen mit seiner Mutter und seinen Schwestern fest, nachdem sie ihr Haus in Al-Tuffah gestürmt hatten.

 

„Wir begannen laut zu schreien: 'Zivilisten, Zivilisten', aber es war vergeblich“, so Ibrahim gegenüber DCIP. Die israelischen Streitkräfte feuerten mit scharfer Munition auf das Haus, bevor sie eine Drohne und einen Militärhund einsetzten.

 

„Danach drangen die Soldaten ein und nahmen mich und etwa zehn weitere Personen aus der Nachbarschaft mit“, so Ibrahim weiter. „Sie zogen uns die Kleider aus, verbanden uns die Augen und fesselten uns, während sie mir mit Gewehrkolben auf den Kopf schlugen und wahnsinniges Geschrei und Schüsse um uns herum zu hören war. Dann brachten sie uns in das Gebiet Erez in Israel, wo wir verhört wurden. Sie sagten uns immer wieder, dass sie uns alle töten würden, weil wir Hamas seien, und ließen Hunde auf uns los. Einer unserer Mitgefangenen wurde von einem Hund angefallen. Wir hörten ihn vor Schmerzen schreien, als der Hund ihn biss.“

 

Vor den Augen des 13-jährigen Kindes schlugen die israelischen Streitkräfte die Mutter des Kindes mit einem Gewehr, ließen Hunde auf die Häftlinge los, beleidigten sie mit üblen Worten und drohten ihnen mit Vergewaltigung. „Ich hörte, wie sie zu einem der Gefangenen sagten, dass sie seiner Frau etwas antun würden und sie dabei beim Namen nannten“, so Ibrahim.

 

DCIP- Mitarbeiter vor Ort sammelten auch Aussagen von zwei palästinensischen Kindern, die im März von israelischen Streitkräften in Gaza-Stadt festgenommen und gefoltert wurden.

 

„Papa, ich habe den Tod mit meinen eigenen Augen gesehen. Die Soldaten diskutierten vor mir, ob sie mich unter den Panzerketten zerquetschen oder von den Hunden auffressen lassen sollten“, berichtet der 13-jährige Shehada B. gegenüber DCIP.

 

Israelische Streitkräfte nahmen Shehada am 1. März 2024 fest, als er in der Nähe der Küste von Gaza-Stadt drei Tage lang ohne Nahrung und Wasser auf humanitäre Hilfskonvois wartete, so Shehadas Vater gegenüber DCIP. Die israelischen Streitkräfte fesselten ihn, zogen ihm die Kleidung aus, verbanden ihm die Augen und schlugen ihn. Die israelischen Streitkräfte drohten, Shehada zu töten, bevor sie ihn zwangen, sich auf den Weg in den südlichen Gazastreifen zu machen, wo er keine Familie hat.

 

Ein Aspekt des Genozids ist die erzwungene und systematische Trennung palästinensischer Kinder von ihren Familien. Sie werden ihrer grundlegenden Menschenrechte beraubt und gefoltert, was die psychischen und physischen Gesundheitsprobleme der Kinder in Gaza verschlimmert.

 

Israelische Streitkräfte nahmen den 14-jährigen Shadi B. am 6. März 2024 fest, als er auf humanitäre Hilfskonvois wartete. Israelische Quadrocopter feuerten mit scharfer Munition in eine Menschenmenge,  etwa 100 Personen wurden festgenommen, darunter auch Shadi.

 

„Wir stolperten über die Leichen der Opfer, als die Panzer uns umzingelten und uns befahlen, zwischen den Panzern zum Korridor von Netzarim zu marschieren“, berichtet Shadi. „Sie zogen uns die Kleider aus, verbanden uns die Augen, fesselten uns und schlugen uns auf den Kopf. Sie beschimpften uns mit schmutzigen Beleidigungen und sagten Dinge wie 'Ihr Hungerleider, lasst euch doch von der Hamas füttern, ihr dreckigen, verlausten Kreaturen'. Es war im wahrsten Sinne des Wortes demütigend.“

 

Als die israelischen Streitkräfte Shadi am nächsten Tag freiließen, musste seine Familie feststellen, dass Shadis Hände von den Fesseln geschwollen und sein Arm gebrochen war. Zudem war er, der seit mehr als einen Tag nichts mehr gegessen hatte, sehr hungrig.

 

Die israelischen Streitkräfte haben seit Oktober 2023 eine unbekannte Anzahl von PalästinenserInnen, darunter auch Kinder, auf israelischen Militärstützpunkten und in israelischen Haftanstalten inhaftiert. Die Namen der Kinder, ihr genauer Aufenthaltsort und ihre Bedingungen sind ebenfalls unbekannt, was darauf hindeutet, dass es sich um gewaltsames Verschwindenlassen handelt.

 

Unabhängig davon, ob es sich um Zivilisten oder Kämpfer handelt, hält Israel Palästinenser, darunter auch Kinder in Gaza, auf der Grundlage des israelischen Gesetzes „Unlawful Combatants“ von 2002 fest. Dieses israelische Zivilgesetz erlaubt es dem Staat, vermeintliche „feindliche Kämpfer“ für längere Zeit in Haft zu nehmen, ohne die üblichen rechtlichen Verfahren einzuhalten, und sie festzuhalten, ohne ihnen den Status von Kriegsgefangenen zu gewähren. Daher kann für Personen, die auf der Grundlage dieses Gesetzes inhaftiert sind, nur innerhalb von 45 Tagen nach ihrer Verhaftung ein Haftbefehl ausgestellt werden. Darüber hinaus erlaubt das Gesetz den israelischen Behörden, den Inhaftierten zu verbieten, sich mit einem Anwalt zu treffen, und die gerichtliche Überprüfung um bis zu 75 Tage bzw. mit Genehmigung eines Richters um bis zu sechs Monate aufzuschieben.

 

Nach dem Internationalen Übereinkommen von 2006 zum Schutz aller Personen vor gewaltsamen Verschwinden gilt als „gewaltsames Verschwinden“ die Festnahme, Inhaftierung, Entführung oder jede andere Form des Freiheitsentzugs, gefolgt von der Weigerung, den Freiheitsentzug anzuerkennen, das Verschweigen des Schicksals oder des Aufenthaltsorts der verschwundenen Person; sowie Handlungen, die dem Verschwindenlassen ähneln. Diese Aspekte gelten als internationale Verbrechen, die je nach Schweregrad auch strafbar sind.

 

Nach der Konvention ist das gewaltsame Verschwindenlassen von Kindern ein Verbrechen, das sich zu einem „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ ausweitet, wenn es in großem Umfang oder systematisch durchgeführt wird. Das entspricht genau dem, was die israelische Armee praktiziert, indem sie in alle Gebiete des Gazastreifens eingedrungen ist und Hunderte von Kindern verhaftet hat. Viele von ihnen werden weiterhin in israelischen Militärgefängnissen festhalten, zusammen mit Tausenden von [erwachsenen] Palästinensern, deren Schicksal unbekannt ist.

 

Das gewaltsame Verschwinden palästinensischer Kinder während des andauernden Krieges in Gaza stellt einen schweren Verstoß gegen das Völkerrecht dar. Die israelische Praxis des gewaltsamen Verschwindenlassens palästinensischer Kinder ist nach dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen verboten. Dieses Übereinkommen hat Israel zwar nicht ratifiziert, es ist aber dennoch an das Gewohnheitsrecht des Völkerrechts gebunden. Zudem hat Israel hat das Übereinkommen über die Rechte der Kinder ratifiziert, das die Misshandlung von palästinensischen Kindern im Gazastreifen in Kriegszeiten klar verbietet.


 

Comments


bottom of page