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Associated Press: Erkenntnisse aus dem AP-Bericht über drei von israelischen Truppen überfallene Krankenhäuser im nördlichen Gazastreifen

Von Isabel Debre, Julia Frankel und Lee Keath; The Associated Press, 3. November 2024

(Originalbeitrag in englischer Sprache)


Hinweis: Die Associated Press (AP) ist eine Nachrichten- und Presseagentur mit Hauptsitz in New York City. AP gilt als die größte Nachrichtenagentur der Welt.

 

JERUSALEM (AP) - Einer der beunruhigendsten Aspekte der israelischen Kampagne gegen die Hamas im Gazastreifen ist die Zerstörung des Gesundheitssektors in diesem Gebiet. In den letzten dreizehn Monaten hat das israelische Militär mindestens zehn Krankenhäuser belagert und überfallen und behauptet, die Angriffe seien eine militärische Notwendigkeit, weil die Hamas die Einrichtungen als Kommando- und Kontrollstützpunkte nutzen würde.


Associated Press untersuchte die Angriffe Ende letzten Jahres in drei Krankenhäusern im nördlichen Gazastreifen – dem al-Awda, dem Indonesian und dem Kamal Adwan Krankenhaus – und befragte mehr als drei Dutzend PatientInnen, ZeugInnen, medizinische und humanitäre MitarbeiterInnen sowie israelische RegierungsvertreterInnen.


Israel hat wenig oder aber gar keine Beweise für eine nennenswerte Präsenz der Hamas in den drei Krankenhäusern vorgelegt. Die AP legte dem Büro des israelischen Militärsprechers ein Dossier vor, in dem die von den Befragten berichteten Vorfälle aufgelistet sind. Das Büro sagte, es könne sich nicht zu bestimmten Ereignissen äußern. Alle drei Krankenhäuser sind in den letzten Wochen unter Beschuss geraten oder erneut überfallen worden.


Heute gibt es im gesamten Gazastreifen keine voll funktionsfähigen Krankenhäuser mehr – nur 16 von 39 Krankenhäusern sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) noch teilweise funktionsfähig, die meisten bieten kaum mehr als erste Hilfe. Bei israelischen Angriffen in und um medizinische Einrichtungen wurden laut WHO 765 PalästinenserInnen getötet und 990 weitere verwundet. Diese Zahl schließt nicht jene PatientInnen ein, die nach Angaben von ÄrztInnen während der israelischen Belagerung aufgrund von Behandlungs- oder Sauerstoffmangel gestorben sind; ihre Zahl ist nicht bekannt.


Hier sind einige der von der Associated Press ermittelten Fakten:

 

AL AWDA KRANKENHAUS

- Das israelische Militär hat nie behauptet, dass die Hamas im al-Awda-Krankenhaus präsent ist. Auf die Frage, welche nachrichtendienstlichen Erkenntnisse die Truppen dazu veranlassten, das Krankenhaus im vergangenen Jahr zu belagern und zu stürmen, gab das Büro des Militärsprechers keine Antwort.

- Als die Kämpfe um das Krankenhaus tobten, schlug am 21. November 2023 eine Granate in den Operationssaal ein und tötete drei Ärzte und einen Verwandten eines Patienten, wie die internationale Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen mitteilte.

- Nachdem die israelischen Truppen das Krankenhaus umstellt hatten, berichtete das Personal, dass auch nur das Näherkommen zum Krankenhaus aufgrund des israelischen Scharfschützenfeuers tödlich sein konnte. Drei Krankenhausmitarbeiter sagten aus, dass zwei schwangere Frauen, die zur Entbindung in die Einrichtung kommen wollten, am 12. Dezember 2023 angeschossen wurden und auf der Straße verbluteten. Sanitäter berichteten, dass ihre Leichen später geborgen wurden.

- Mohammed Salha, ein damaliger Verwalter und jetziger stellvertretender Direktor des Krankenhauses, sagte, dass er am nächsten Tag mit ansehen musste, wie seine Cousine und ihr sechsjähriger Sohn durch Schüsse getötet wurden, als sie den Jungen zur Behandlung seiner Wunden bringen wollte. Eine andere schwangere Frau, Shaza al-Shuraim, beschrieb, wie sie in den Wehen in Begleitung ihrer Schwiegermutter und ihres Schwagers auf dem Weg zum Krankenhaus waren. Noch während sie weiße Fahnen schwenkten, wurde ihre Schwiegermutter durch Schüsse getötet.

- Der Direktor des Krankenhauses, Ahmed Muhanna, wurde von israelischen Truppen nach der Stürmung der Einrichtung verschleppt. Sein Verbleib ist weiterhin unbekannt. Einer der bekanntesten Ärzte des Gazastreifens, der Orthopäde Adnan al-Bursh, wurde bei dem Angriff ebenfalls festgenommen und starb im Mai in israelischem Gewahrsam.

 

INDONESISCHES KRANKENHAUS

- Das indonesische Krankenhaus ist das größte Krankenhaus nördlich von Gaza-Stadt. Vor dem Angriff behauptete Israel, dass sich unter dem Krankenhaus eine unterirdische Kommandozentrale der Hamas befindet. Es veröffentlichte verschwommene Satellitenbilder von einem angeblichen Tunneleingang im Hof und einer Raketenabschussrampe in der Nähe, außerhalb des Krankenhausgeländes.

- Nach dem Ende der Angriffe letzten Jahres hatte das Militär keine Beweise für eine unterirdische Anlage oder Tunnel erwähnt oder gezeigt. Auf die Frage, ob irgendwelche Tunnel gefunden worden waren, antwortete das Büro des israelischen Militärsprechers nicht.

- Das Militär veröffentlichte Bilder von zwei Fahrzeugen, die auf dem Gelände gefunden worden waren –ein Pickup mit Militärwesten und ein blutverschmiertes Auto, das einem entführten Israeli gehörte, was darauf hindeutet, dass er am 7. Oktober in ein Krankenhaus gebracht worden war. Die Hamas erklärte, sie habe verwundete Geiseln zur Behandlung in Krankenhäuser gebracht.

- Trotz anhaltender israelischer Andeutungen, dass Krankenhäuser mit Hamas-Tunnelnetzwerken verbunden sein sollen, hat das Militär von allen Krankenhäusern, die es überfallen hat, nur einen einzigen Tunnel gezeigt - einen, der zum Shifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt führte.

- Bei den israelischen Angriffen im November und Dezember 2023 wurden die oberen Stockwerke des Indonesian Hospitals verbrannt, die Wände von Granatsplittern durchlöchert und die Eingangstüren von aufgehäuften Trümmern verschüttet.

- Als israelische Truppen das Krankenhaus umstellten, schlug am 20. November Granatenbeschuss im zweiten Stock ein, wobei nach Angaben des Personals zwölf Menschen getötet und Dutzende verletzt wurden. Israel sagte, die Truppen hätten auf „feindliches Feuer“ aus dem Krankenhaus reagiert, bestritt aber den Einsatz von Granaten.

- Während der Belagerung starben nach Schätzungen von ÄrztInnen und Sanitätern ein Fünftel der ankommenden PatientInnen. Mindestens 60 Leichen lagen im Innenhof. Da nur wenige Hilfsmittel zur Verfügung standen, führten die ÄrztInnen nach eigenen Angaben Dutzende von Amputationen an infizierten Gliedmaßen durch, die nicht behandelt werden konnten.

 

KAMAL ADWAN KRANKENHAUS

- Während israelische Truppen das Kamal Adwan Krankenhaus im November 2023 umstellten, starben mindestens 10 PatientInnen aus Mangel an Wasser, Sauerstoff und Medikamenten, so Hossam Abu Safiya, ein Kinderarzt, der nach der Belagerung Direktor des Krankenhauses wurde.

- Als die Truppen am 12. Dezember 2023 das Krankenhaus stürmten, ließen sie Polizeihunde auf das Personal, die PatientInnen und andere Personen los, wie mehrere Zeugen berichteten. Ahmed Atbail, ein 36-Jähriger, der im Krankenhaus Zuflucht suchte, sagt, er habe gesehen, wie ein Hund einem Mann den Finger abbiss. Das israelische Militär erklärte, es wisse nichts von dem Vorfall.

- ZeugInnen berichten, die Truppen hätten Buben und Männer zwischen zehn und 60 aufgefordert, sich draußen in der Kälte geduckt, mit verbundenen Augen und fast nackt für stundenlange Verhöre aufzustellen. Nachdem sie einige von ihnen freigelassen hatten, eröffneten die Soldaten das Feuer auf sie, als sie zurück zum Krankenhaus gingen, wobei fünf von ihnen verletzt wurden, wie drei Zeugen berichteten.

- Drei Zeugen berichten, dass ein israelischer Militärbulldozer in Gebäude auf dem Krankenhausgelände eindrang und Zelte zerstörte, in denen Flüchtlinge untergebracht waren. Die meisten waren geflüchtet, aber Abu Safiya sagte, er habe die Leichen von vier Menschen gefunden, die zermalmt worden waren.

- Das Büro des israelischen Militärsprechers sagte auf Anfrage, dass Leichen gefunden wurden, die zuvor vergraben worden waren und nichts mit den Aktivitäten des Militärs zu tun hatten.

- Das israelische Militär sagte, die Hamas habe das Krankenhaus als Kommandozentrale genutzt, legte aber keine Beweise vor. Es hieß, Soldaten hätten Waffen gefunden, zeigten aber nur Aufnahmen einer einzigen Pistole.

- Das Militär erklärte, es habe Dutzende mutmaßlicher Kämpfer festgenommen, darunter auch den Krankenhausdirektor Dr. Ahmed al-Kahlout. Das Militär veröffentlichte Filmmaterial von seinem Verhör, in dem er sagte, er sei ein Hamas-Agent und dass sich Militante im Krankenhaus befänden. Seine Kollegen versicherten, er habe unter Gewaltanwendung gesprochen.





 

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