Morgen, am 15. Mai, jährt sich der Tag der Nakba zum 72. Mal.
Die Staatsgründung Israels im Jahr 1948 ist für die palästinensische Bevölkerung untrennbar verbunden mit dem Terminus Nakba (arabisch für „Katastrophe“), der Vertreibung von 750.000 PalästinenserInnen aus ihrer Heimat, dem bis dahin britischen Mandatsgebiet Palästina. Zusätzlich wurden 150.000 Menschen aus ihren Häusern vertrieben, sie gelten daher als sogenannte Binnenvertriebene. Mit der Vertreibung einher gingen nicht nur die Zerstörung von 531 palästinensischen Dörfern und Stadtteilen, sondern auch zahllose Tötungen von PalästinenserInnen.
Der israelische Historiker Ilan Pape spricht im Zusammenhang mit der Nakba nach eingehenden Untersuchungen israelischer Militärarchive von „ethnischen Säuberungen“, begangen von jüdischen Milizen. Dem von Israel nach wie vor aufrechterhaltenen Narrativ von einem „Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ stehen heute weltweit über 12 Millionen Palästinenser und Palästinenserinnen gegenüber, davon sind 5,49 Millionen als Flüchtlinge beim UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNWRA) registriert.
Die UN Resolution 194 (III), Artikel 11, vom 11. Dezember 1948 spricht den palästinensischen Flüchtlingen und ihren Nachkommen zwar ein Rückkehrrecht respektive Restitution aus, doch wurde diese Resolution bis heute nicht umgesetzt. Nach wie vor existieren 58 palästinensische Flüchtlingslager in Jordanien, Libanon, Syrien, Gaza, Westjordanland und Ostjerusalem. Die Situation in den dicht besiedelten Flüchtlingslagern ist geprägt von Armut, fehlender Infrastruktur und Arbeitslosigkeit. Das Recht der palästinensischen Flüchtlinge, in ihre Heimat und zu ihrem Eigentum zurückzukehren und Restitution zu erhalten, wie es in der UN Resolution 194 eigentlich vereinbart wurde, darf nicht in Vergessenheit geraten, sondern muss respektiert, geschützt und unterstützt werden.
Die Nakba ist kein singuläres Ereignis - vielmehr hält sie bis heute an. So wurden seit 1948 wurden 100.000 PalästinenserInnen und Angehörige anderer arabischer Länder im Konflikt mit Israel getötet. Seit der 2. Intifada bis heute wurden 10 853 PalästinenserInnen getötet, das blutigste Jahr stellt hierbei 2014 dar – beim israelischen Angriff auf Gaza wurden 2181 Menschen getötet. Seit 1967 wurden eine Million PalästinenserInnen verhaftet.
Nach Zählung von ICAHD und der UN hat Israel seit 1967 55.000 palästinensische Häuser in den besetzten Gebieten abgerissen. 60.000 Häuser wurden in der Nakba von 1948 und deren Nachwehen zerstört, dazu tausende Häuser mehr im israelischen Kernland bis zum heutigen Tag. Die Siedlungsexpansion im Westjordanland und in Ostjerusalem wird – völkerrechtswidrig und vor den Augen der internationalen Staatengemeinschaft – weiterhin fort betrieben.
Treffen der europäischen Außenminister anlässlich der israelischen Annexionspläne
Auch 72 Jahre später steht das palästinensische Volk unter den allumfassenden Auswirkungen israelischer Besatzung und deren Mechanismen wie Vertreibung, Enteignung, Kolonialisierung, Apartheid und weiteren, tagtäglichen Verletzungen von Menschenrechten. Wie von Israels Regierung schon seit Längerem kommuniziert, sind weitere Annexionspläne von palästinensischem Land geplant. Somit würden palästinensische Gebiete (wie beispielsweise das Jordantal) israelischem Staatsgebiet einverleibt werden. Eine auch derzeit ob der Realität vor Ort ohnehin schwierige Zwei-Staaten-Lösung wäre somit endgültig vorbei.
Die Außenminister der Europäischen Union, die nach wie vor an der Zwei-Staaten-Lösung festhält, diskutieren auf einer Videokonferenz morgen, am Freitag, über Israels weitere Annexions-Pläne. Berichten zufolge drängt der EU-Außenpolitiker Josep Borrell neben Frankreich, Schweden, Irland, Belgien und Luxemburg auf Sanktionen für Israel, sollten weitere palästinensische Gebiete völkerrechtswidrig annektiert werden – aber es gibt andere EU-Mitgliedstaaten, die sich einem solchen Schritt widersetzen, so beispielsweise Ungarn, Tschechien und Rumänien. Österreichs Haltung bleibt bisher offen, veranlasst aber aufgrund der Entwicklungen der letzten Monate (siehe dazu auch Link) zu großer Sorge.
Video anlässlich der Nakba
Anlässlich des 72. Jahrestages der Nakba hat das Koordinations-Komittee für Palästina in Österreich ein informatives, musikalisch-festliches Video erstellt, dass morgen, um 21:00 Uhr auf diversen Social-Media Kanälen geteilt werden wird: