Die Generalstaatsanwältin des Internationalen Strafgerichtshofs, Fatou Bensouda, bekräftigte am vergangenen Donnerstag, dass der Internationale Strafgerichtshof für Palästina zuständig ist.
In einem 60-seitigen Dokument (veröffentlicht am 30. April 2020) legt die Generalstaatsanwältin Fatou Bensouda die Begründung für ihre Entscheidung auf Basis des Völkerrechts ausführlich dar. Dies kann nun den Weg für die Untersuchungen mutmaßlicher Kriegsverbrechen von Seiten Israels im Westjordanland (einschließlich Ostjerusalem) und im Gazastreifen ebnen: "Die Staatsanwaltschaft hat die Beobachtungen der Teilnehmer sorgfältig geprüft und ist weiterhin der Ansicht, dass der Gerichtshof für das besetzte palästinensische Gebiet zuständig ist", schrieb sie.
Zahlreiche Staaten, internationale Organisationen, Völkerrechtler und NGOs hatten vorab schriftlich ihre Argumentation für oder gegen die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofes für Palästina eingereicht, darunter – neben den europäischen Staaten Ungarn, Tschechien und Deutschland – auch Österreich in einem Schreiben vom 15. März 2020.
In diesem Schreiben weist Österreich darauf hin, zwar 2011 für eine Mitgliedschaft des Staates Palästina bei der UNESCO und 2012 für eine Aufnahme Palästinas als Nichtmitgliedstaat mit Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen gestimmt zu haben, dies solle jedoch nicht „als eine bilaterale Anerkennung Palästinas als souveräner Staat von Seiten Österreichs missinterpretiert werden“. Mehr noch, Österreich habe nicht nur Palästina nicht als souveränen Staat anerkannt, sondern „unterhalte auch keinerlei diplomatische Beziehungen mit Palästina auf bilateraler Ebene“.
Diese Aussage verwundert. 2011 erhielt die bilaterale palästinensische Vertretung bei der österreichischen Bundesregierung die Bezeichnung „Vertretung von Palästina“ und wurde nun somit auch offiziell von einem akkreditierten Botschafter angeführt.
„Mit Bedauern haben wir die Position Österreichs zur Kenntnis genommen“, so Botschafter Salah Abdel Shafi, „denn diese stellt eine weitere Abkehr von der bisherigen österreichischen Linie dar. Die Empfehlung Österreichs, der Internationale Strafgerichtshof sei nicht zuständig für Palästina, stellt einen Versuch dar, Israel vor einer völkerrechtlichen Gerichtsbarkeit zu schützen. Die Frage, die sich mir stellt, ist folgende: Wenn – so wie nach österreichischer Position – der Internationale Strafgerichtshof keine Zuständigkeit besitzt, wer soll dann den Opfern der Kriegsverbrechen Gerechtigkeit widerfahren lassen?“