Seit 1974, nach einem Beschluss des palästinensischen Nationalrats, wird am 17. April der „Tag der palästinensischen Gefangenen“ begangen.
„(…) Sie sollen die ärztliche Betreuung erhalten, die ihr Gesundheitszustand erfordert. Sie sollen ebenfalls das Recht haben, den geistlichen Beistand zu empfangen, um den sie gegebenenfalls ersuchen. Frauen sollen in gesonderten Räumlichkeiten untergebracht und unter die unmittelbare Überwachung von Frauen gestellt werden. Gebührende Aufmerksamkeit soll der den Minderjährigen zukommenden besonderen Behandlung geschenkt werden. Gefangengehaltene geschützte Personen haben das Recht, den Besuch von Delegierten der Schutzmacht und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz gemäß den Bestimmungen von Artikel 143 zu empfangen. Ferner sind sie berechtigt, monatlich wenigstens ein Lebensmittelpaket zu erhalten.“
Artikel 76 der Vierten Genfer Konventionen
Seit 1967 inhaftierte Israel eine Million PalästinenserInnen, darunter 17 000 Frauen und 50 000 Minderjährige. Das palästinensische Volk hat damit weltweit, gemessen am Bevölkerungsanteil, die höchste Anzahl an Verhaftungen. Diese fanden und finden quer durch alle Schichten statt, unabhängig von Alter, Geschlecht, Beruf oder Gesundheitszustand. Die verhafteten Personen werden psychischer und physischer Folter ausgesetzt, was einen direkten Verstoß gegen internationales Menschenrecht darstellt.
Die palästinensische Bevölkerung in den besetzen Gebieten untersteht im Gegensatz zur israelischen nicht dem Zivilrecht, sondern einer israelischen Militärgerichtsbarkeit, welche auf vielfältige Art und Weise das tägliche Leben beeinflusst. Mit nur einer Ausnahme befinden sich alle 23 israelischen Gefängnisse und Internierungslager im israelischen Kernland, was erhebliche Auswirkungen nicht nur auf die Insassen selbst, sondern auch auf ihre Familienangehörigen hat. So wird es den Häftlingen erschwert, palästinensische Anwälte zu konsultieren und Familien aus den besetzten Gebieten können oftmals aufgrund von nicht erteilten Genehmigungen ihre Angehörigen im Gefängnis nicht besuchen.
Palästinenserinnen und Palästinenser in Administrativhaft
Unter der Bezeichnung „Administrativhaft“ haben israelische Sicherheitskräfte die – für sie gesetzlich legitimierte – Möglichkeit, PalästinenserInnen zu verhaften und teils über Jahre festzuhalten, ohne dass die Häftlinge ihr Recht auf ein Gerichtsverfahren wahrnehmen können und ohne dass sie wissen, ob und wann sie freigelassen werden. Internationale Menschenrechtsorganisationen sowie der UN-Menschenrechtsausschuss haben wiederholt festgestellt, dass die israelische Praxis der Administrativhaft in mehreren Einzelpunkten als auch als Ganzes einen Verstoß gegen das internationale Völker- und Menschenrecht darstellt. Derzeit befinden sich 430 Palästinenserinnen und Palästinenser in Administrativhaft.
Zahlen und Statistiken zu palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen
Insgesamt befinden sich derzeit 5000 palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen, darunter 41 Frauen und 183 Kinder, sechs Abgeordnete und 13 Journalisten. 700 Gefangene benötigen medizinische Hilfe (300 von ihnen leiden an ernsthaften, chronischen Erkrankungen wie Krebs, Nierenversagen, Bluthochdruck, Diabetes und Herzproblemen). Auch ältere Personen befinden sich unter den Gefangenen, der älteste palästinensische Inhaftierte ist 81 Jahre alt.
541 Gefangene wurden zu einmal oder mehrmals lebenslänglich verurteilt. 51 davon sind seit mehr als 20 Jahren im Gefängnis, 26 davon kamen vor dem Oslo-Abkommen in Haft, 14 davon befinden sich seit mehr als 30 Jahren in israelischer Gefangenschaft. Karim Younis ist der am längsten inhaftierte Palästinenser, er befindet sich seit 38 Jahren in Haft.
84% der israelischen Gefangenen stammen aus dem Westjordanland, 10% aus Jerusalem und dem israelischen Kernland, 6% aus dem Gazastreifen.
Nach wie vor entsprechen Haftbedingungen in israelischen Gefängnissen nicht dem internationalen Standard. So wird beispielsweise oftmals den Häftlingen – mitunter mit lebensbedrohlichen Konsequenzen – medizinische Hilfe und Gesundheitsversorgung verweigert. Sie können nur schwer Kontakt mit ihren Familien aufrechterhalten bzw. Besuche empfangen. Seit 1967 sind 222 palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen verstorben, davon 73 Personen durch Folter und 67 Personen durch Verweigerung medizinischer Hilfe. 75 Personen wurden vorsätzlich in der Haft getötet, sieben davon durch Schussverletzungen.
Minderjährige und junge Erwachsene in israelischer Gefangenschaft
Wie jedes Jahr gelten unsere Gedanken insbesondere den Minderjährigen und jungen Erwachsenen, die sich in israelischer Haft befinden.
Die palästinensische Organisation „Defence for Children International“ (DCI), berichtet, dass Israel jedes Jahr systematisch 500 bis 700 Kinder, manche davon nicht älter als zwölf Jahre, militärgerichtlich, d.h. ohne Rechte auf ein faires Gerichtsverfahren, verfolgt und ahndet. Alle Kinder, die dem israelischen Militär ausgesetzt waren, berichten über physische und psychische Misshandlungen während ihrer Inhaftierung und von Nötigung und Drohungen während der Verhöre.
Im Jänner 2020 befanden sich 183 palästinensische Kinder und Jugendliche in israelischer Gefangenschaft.
Verschärfung der Situation durch Covid-19
Defence for Children International hat bereits im März 2020 die israelischen Behörden dazu aufgefordert, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um alle palästinensischen Kinderhäftlinge in israelischen Gefängnissen freizulassen, da sich COVID-19 rasch verbreitet.
Palästinensische Kinder, die von israelischen Behörden inhaftiert wurden, leben oftmals auf engem Raum und unter sehr schlechten hygienischen Bedingungen. Eine Untersuchung von DCI ergab bereits zuvor, dass palästinensische Kinder und Jugendliche im israelischen Gefängnis Damon unter denkbar schlechten Bedingungen festgehalten wurden, so waren die kleinen Räume ohne Zugang zu sauberen und privaten Badezimmern. Die Inhaftierten haben so nur eingeschränkten Zugang zu Ressourcen, um Mindesthygienestandards, die eine Ausbreitung von Covid-19 verhindern, einzuhalten. Dies führt dazu, dass palästinensische Kinder in israelischen Gefängnissen und Haftanstalten zunehmend von einer Ansteckung gefährdet sind.
Weiterführende Informationen:
Der Kurzfilm „OBAIDA“, produziert von DCI, zeigt das Leben von Obaida, einem jungen Palästinenser aus dem Flüchtlingslager Arroub bei Hebron. Er wurde zwei Mal verhaftet und berichtet über seine bedrückenden Erfahrungen und Auswirkungen der Inhaftierung.