Die palästinensische Ärzte- und Apothekervereinigung wurde in den 1980er Jahren in Österreich gegründet. 2010 wurde der Verband durch die derzeitigen Mitglieder reaktiviert und hat seit 29. Juni 2019 einen neuen Vorstand. Zu den Aufgaben und Zielen der Vereinigung zählt, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die alarmierende medizinische Lage in Palästina, und hierbei vor allem auf die Situation in Gaza, zu lenken. Die Ärzt*innen und Apotheker*innen unterstützen die in Palästina lebenden Palästinenser*innen von Wien aus, indem Sie finanzielle Mittel zur Verfügung stellen oder auch selbst hinreisen, um medizinische Hilfe vor Ort in Spitälern zu leisten. Sie kümmern sich um Kooperationen mit Krankenhäusern, vor allem in Gaza, und um Vorträge und Informationsveranstaltungen in Wien rund um die medizinische Situation in Palästina. Zusammen mit anderen österreichischen und palästinensischen Institutionen beteiligt sich die Vereinigung immer wieder an Kunst- und Kulturveranstaltungen.
Dr. Rula Al-Harbi, die neue Vorsitzende der Ärzte- und Apothekervereinigung, erzählt im Interview über ihr Leben in Österreich und ihre Beziehung zu Palästina.
Bitte erzählen Sie mir kurz über die für Sie wichtigsten Stationen in Ihrem Leben.
Die wichtigste Station und das Beste, was mir im Leben passiert ist, ist mein Vater. Er hat meine Persönlichkeit geprägt. Ich war immer viel mit ihm und seinen Freunden zusammen. Er hat mich Teil sein lassen, in der er sich aufhielt. Besonders gut erinnere ich mich an die Tage, an denen wir in die Buchhandlung einer seiner Freunde gingen, die damals größte Buchhandlung in Damaskus, und ich mir immer aussuchen durfte, welches Buch ich am liebsten lesen würde. Mein Vater hat mich gelehrt, dass, was falsch ist, für alle falsch ist und die gleichen Regeln für uns alle gelten, egal wer wir sind.
Ich hatte aber viele wichtige Stationen in meinem Leben. Dadurch dass mein Vater bei der UN arbeitete, sind wir oft umgezogen und gereist. Ich bin in Damaskus geboren und lebte danach im Libanon und in Jordanien und bin nun seit dem Jahr 1978 in Österreich. Die vielen Umzüge und verschiedenen Länder, in denen ich gelebt habe, haben sich positiv auf meine Entwicklung ausgewirkt.
Sehr wichtig war mir mein Engagement beim Arabisch-Palästinensischen Club damals, während meiner Studienzeit in Wien. Dort haben wir viele Veranstaltungen organisiert und einen wunderbaren Zusammenhalt in der Gruppe genossen. Wir waren arabische und österreichische Studenten.
Neben meinem Studium in Österreich, meiner beruflichen Laufbahn und meinem politischen Engagement ist meine Familie ein unverzichtbarer Bestandteil meines Lebens.
Wie ist Ihr beruflicher Werdegang?
Nach meinem Studium absolvierte ich meine Turnusausbildung im Kaiserin Elisabeth Spital in Wien. Danach entschied ich mich dazu, in die Arbeitsmedizin zu gehen. In diesem Bereich arbeite ich bis heute. Zusätzlich spezialisierte ich mich auf den Bereich Public Health. Eine besonders wichtige Zeit während meiner Berufslaufbahn begann im Jahr 2015 mit der Flüchtlingsbewegung. Damals verbrachte ich viel Zeit am Hauptbahnhof in Wien und arbeitete zusammen mit „Train of Hope“. Diese Zeit war sehr erfüllend für mich. Deshalb habe ich mich später dazu entschieden, als Ärztin im „neunerhaus“ in Wien aktiv zu werden. Das mache ich nun seit 2016 und bin sehr glücklich dabei. 2018 habe ich mir den Traum einer eigenen Ordination erfüllt.
Was führte Sie nach Österreich?
Mein Vater arbeitete damals für die UNRWA und wurde nach Wien versetzt. Deshalb kamen meine Familie und ich nach Österreich.
Wie empfinden Sie das Leben als Palästinenserin in Österreich?
Ich fühle mich sehr wohl und respektiert hier in Österreich. Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht und würde Österreich auch meine Heimat nennen. Dadurch, dass ich so viele positive Erfahrungen hier in Österreich, mit Österreichern gemacht habe, empfinde ich das Leben hier als ein sehr gutes.
Wenn Sie an Schwierigkeiten denken, die mit dem Leben in Österreich verbunden sind, welche fallen Ihnen da ein?
Eine Hürde ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Es kam schon hin und wieder vor, dass, wenn ich bei Ämtern oder Behörden aufgerufen wurde und mein Name nicht österreichisch klang, man oft mit mir in gebrochenem Deutsch sprach. Ich habe der jeweiligen Person aber immer gleich erklärt, dass ich gut Deutsch spreche und so hatte sich die Sache auch immer schnell erledigt. Ich war sehr selten mit Schwierigkeiten konfrontiert. Deshalb fallen mir jetzt auch keine speziellen Schwierigkeiten ein, die ich mit Österreich verbinden würde. Vor allem glaube ich auch, dass Schwierigkeiten durch Offenheit und Respekt gegenüber anderen überwunden werden können.
Was schätzen Sie besonders an Österreich?
Ich fühle mich wohl und sicher hier. Österreich hat mir viele Möglichkeiten gegeben. Und nicht nur mir, sondern auch vielen anderen Menschen, die hier her migriert sind. Besonders schätze ich die Kultur, das Wasser und auch die Natur, die Berge, die Seen und die gute Luft.
Wie leben Sie palästinensische Kultur in Ihrem Alltag?
Palästinensische Kultur lebe ich durch Kochen und die Erziehung meiner Kinder. Wir sprechen zu Hause und auch im Bekanntenkreis sehr viel über Palästina und schwelgen in Erinnerungen an Feste, Hochzeiten und besondere Ereignisse. Am meisten lebe ich palästinensische Kultur aber, indem ich für meine Familie und Freunde palästinensisches Essen koche: Makloobeh allem voran.
Welche Beziehung haben Sie zu Palästinenser*innen in Österreich?
Ich habe eine besonders gute Freundin aus Schulzeiten, mit der ich mich durch unsere gemeinsame palästinensische Identität sehr verbunden fühle. Ich freue mich natürlich besonders für meine palästinensischen Freunde, wenn sie erfolgreich sind und es ihnen gut geht. Durch die Ärzte- und Apothekervereinigung und die palästinensische Gemeinde verbringe ich viel Zeit mit Palästinensern in Wien, teils, um an einem gemeinsamen Ziel zu arbeiten und teils, um das Zusammensein zu genießen. Ich habe außerdem noch Kontakt zu vielen ehemaligen Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen meines Vaters, die auch in Österreich sind.
Was verbindet Sie mit Palästina?
Am meisten mein Vater.
Wie empfinden Sie die Situation in Palästina?
Ich bin sehr traurig darüber, dass wir so wenige Möglichkeiten haben, etwas zu verändern. Und ich bin enttäuscht, dass die Situation der Palästinenser so wenig Gehör und so wenig Aufmerksamkeit findet, international und auch im arabischen Raum.
Was wünschen Sie sich für Palästina?
Natürlich Freiheit, aber die sehe ich leider als Utopie. Ich wünsche mir besonders, dass palästinensische Kinder ihre Kindheit leben dürfen. Dass sie Bildung bekommen und in Frieden aufwachsen können.