Heute, am 107. Internationalen Frauentag, gelten unsere Gedanken insbesondere den palästinensischen Frauen.
In Gaza, Westjordanland und Ostjerusalem leiden palästinensische Frauen massiv unter der seit mehreren Jahrzehnten andauernden israelischen Besatzung. 2018 gab es drei weibliche Todesopfer: A’sha Al-Rabi, aus dem Westjordanland und Mutter von sieben Kindern, wurde in ihrem Auto auf ihrer Rückreise nach Nablus von israelischen Siedlern angegriffen und verstarb an ihren schweren Kopfverletzungen. Razan Najjar, eine 21-jährige Rettungshelferin aus Gaza, wurde, obwohl sie eine Sanitäterweste trug, durch einen Kopfschuss eines israelischen Scharfschützen getötet. Wisal Khalil, 14 Jahre, wurde ebenfalls durch einen Kopfschuss eines israelischen Soldaten getötet, als sie friedlich an den Demonstrationen des Great March of Return teilnahm.
Das Leben vieler Frauen ist jedoch auch geprägt von ökonomischer, familiärer, häuslicher und emotionaler Instabilität, die in vielen Fällen im engen Zusammenhang mit der israelischen Besatzung und deren vielfältigen Auswirkungen auf Alltags- und Lebenswelt von Frauen steht. Palästinensische Frauen können die für sie traumatisierenden Erlebnisse und Erfahrungen oftmals nur ungenügend verarbeiten (hierfür fehlen auch entsprechende soziale Dienste bzw. die Inanspruchnahme dieser) und zeigen häufig posttraumatische Belastungsstörungen.
Insbesondere die zunehmend ökonomische Verschlechterung in den israelisch besetzten Gebieten geht zu Lasten der Frauen. Hierbei kann von einer Feminisierung der Armut gesprochen werden, da die Mehrheit der von der Armut betroffenen Personen Frauen sind.
Ein Blick nach Gaza – Die Teilnahme von Frauen am „Great March of Return“
Palästinensische Frauen hatten und haben immer eine wichtige und starke Rolle im friedlichen Widerstand gegen die israelische Besatzung inne – so nehmen sie an Demonstrationen teil, engagieren sich in einem der zahlreichen Volkskomitees sind in wichtigen politischen Funktionen vertreten.
Auch am „Great March of Return“ in Gaza haben Frauen, wie eine Studie der UNFPA (United Nations Population Fund) aus Dezember 2018 zeigt, aktiv teilgenommen. Die für die Studie interviewten Teilnehmerinnen begründeten ihr Engagement zu demonstrieren damit, dass sie für das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge eintreten und gegen die langwährende israelische Abriegelung von Gaza und gegen die daraus entstehenden Auswirkungen auf ihr Leben und das ihrer Familienmitglieder protestieren wollen.
Zwischen 30. März und 30. November 2018 wurden zwei palästinensische Frauen während den Demonstrationen getötet und 1800 Frauen und Mädchen durch Tränengas, Gummigeschoße und scharfe Munition verletzt. Verletzungen haben innerhalb der palästinensischen Gesellschaft für Frauen oftmals stärkere Auswirkungen als für Männer, denn durch die patriarchalen Strukturen sind Frauen im Falle von Verletzungen oftmals von der Hilfestellung ihrer männlichen Verwandten abhängig. Zusätzlich wollen sich Frauen durch erlittene Verletzungen nicht den Unmut und die Sorge ihrer Ehemänner zuziehen, so berichtete eine Frau in der UNFPA-Studie: „Mein Mann weiß natürlich, dass ich an den Demonstrationen teilnehme, aber er ist nicht glücklich darüber. Er sagte mir, dass ich gehen kann, wenn ich will, aber dass ich auch die Verantwortung dafür trage, wenn etwas passiert. Ich hatte mehrmals Probleme mit Tränengas. Einmal erhielt ich deshalb erste Hilfe im Feldspital, aber ich bat darum, nicht registriert zu werden. Wenn mein Mann das erfahren hätte, so würde er mir das nächste Mal nicht mehr erlauben, hinzugehen.“
Die israelische Armee tötete bisher insgesamt 189 Palästinenserinnen und Palästinenser, die sich den Demonstrationen angeschlossen hatten, darunter 35 Kinder. Mehr als 6100 Personen wurden mit scharfer Munition schwer verletzt (siehe dazu auch „UN-Bericht: Tötungen palästinensischer DemonstrantInnen in Gaza möglicherweise Kriegsverbrechen“). Der Tod oder schwere Verletzungen des Ehemanns haben weitreichende Konsequenzen für die restliche Familie. Angesichts der katastrophalen ökonomischen Lage in Gaza ist es für Frauen sehr schwierig, die durch Verletzung oder Tod eines männlichen Familienmitgliedes entstehende Einkommenslücke zu füllen. Die Arbeitslosenrate jener Frauen, die am Arbeitsmarkt teilnehmen (wollen), liegt in Gaza bei 78 Prozent (bei Männern bei 46,3 Prozent).
Die hohe Anzahl an Schwerstverletzten in Kombination mit Engpässen an Elektrizität, Medikamenten und medizinischer Ausrüstung führt außerdem dazu, dass Krankenhäuser ihre PatientInnen oftmals vorzeitig entlassen und in die Pflege der Verwandten – hierbei oftmals ihrer Ehefrauen und/oder Töchter – übergeben müssen. Eine Teilnehmerin der Studie berichtet darüber: „Er (Anm.: ihr Sohn) wurde während den Demonstrationen angeschossen und die Ärzte sagten, sein Bein muss amputiert werden. (…) Ich habe bereits alles Geld in eine Spezialbett und -matratze, sowie in Medikamente investiert.“ Den Menschen in Gaza fehlt es an finanziellen Mitteln und medizinischem Equipment, um ihre Verwandten adäquat pflegen und versorgen zu können.
„Heute, am Tag der Frauen, gelten unsere Gedanken insbesondere jenen palästinensischen Frauen, die von den vielfältigen Auswirkungen der israelischen Besatzung betroffen sind“, so Botschafter Salah Abdel Shafi. „Meine Gedanken gelten den 175 Palästinenserinnen in israelischen Gefängnissen. Meine Gedanken gelten jenen Frauen im Westjordanland und in Ostjerusalem, die von Hauszerstörungen und Vertreibungen betroffen sind. Meine Gedanken gelten jenen palästinensischen Frauen, die von illegalen Siedlungen und Siedlergewalt betroffen sind. Meine Gedanken gelten den Frauen in Gaza, die unter denkbar schwierigen Bedingungen versuchen, das Leben ihrer Familien zu sichern. Ich rufe die internationale Staatengemeinschaft dazu auf, ihrer Verantwortung für den besonderen Schutz von Frauen und Mädchen in Kriegsgebieten, wie in Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrates manifestiert, gerecht zu werden. Verletzungen von Menschenrechten im Allgemeinen und Verletzungen von Frauenrechten im Besonderen müssen untersucht und die verantwortlichen Täter zur Rechenschaft gezogen werden.“