Morgen, am 1. Mai, ist der Tag der Arbeit.
Im Westjordanland und Gaza ist die Arbeitslosigkeit weiterhin konstant hoch. Nach den letzten statistischen Erhebungen im Jahr 2017 beträgt die Arbeitslosigkeit in Gaza 43,9 Prozent, im Westjordanland 17,9 Prozent. Palästinensische Frauen sind mit 47,8 Prozent weit öfter von Arbeitslosigkeit betroffen als Männer (22,5 Prozent). Von den Menschen mit Arbeit sind 52,7 Prozent im privaten Sektor tätig, 16,8 Prozent arbeiten im israelischen Kernland und 30,5 Prozent sind Regierungsangestellte. Insgesamt 17,4 Prozent der Menschen mit Arbeit sind in einer Gewerkschaft. Während fast 30 Prozent aller Angestellten in Gaza Mitglied in einer Gewerkschaft sind, sind es im Westjordanland nur 12,4 Prozent.
Am 1. Mai denken wir insbesondere an jene palästinensische Arbeiter und Arbeiterinnen, die tagtäglich israelische Checkpoints in Richtung israelisches Kernland überqueren müssen, um zu ihrer Arbeitsstelle zu gelangen oder aber um als Tagelöhner Arbeit zu finden. Unsere Gedanken gelten aber auch jenen palästinensischen Arbeitern, die – aufgrund der Not ihrer Familien und der hohen Arbeitslosigkeit in den israelisch besetzten Gebieten – ohne Genehmigung in das Kernland von Israel kommen, um dort im Baugewerbe zu arbeiten; ohne Rechte, gezwungen, in der Illegalität zu leben und der Willkür der Arbeitgeber ausgesetzt.
Zwar verdienen jene Palästinenser und Palästinenserinnen, die mit Genehmigung nach Israel kommen, dort mehr als im Westjordanland, jedoch zahlen sie im Gegenzug einen hohen Preis – wenig Schlaf, stundenlanges Warten an israelischen Checkpoints, Stress aufgrund der Beengtheit bis hin zu Verletzungen unter den Wartenden aufgrund von Panikreaktionen. Nach Beobachtungen des Ökumenischen Begleitprogramms EAPPI am Checkpoint 300 von Bethlehem nach Jerusalem werden von israelischen SoldatInnen oftmals nur ein oder zwei Metalldetektoren geöffnet, was zu erheblich längeren Wartezeiten führt. Zusätzlich sind Palästinenserinnen und Palästinenser der Willkür und einer oftmals demütigenden Behandlung von Seiten der israelischen SoldatInnen ausgeliefert.
Viele palästinensische Familienväter sehen ihre Frau und Kinder nur wenig, denn ihr Tag beginnt bereits dann, wenn alle anderen noch schlafen: „Ich wache jeden Tag um 1:30 Uhr früh auf und fahre mit einem Sammelbus zum Checkpoint 300“, so Salim aus der Nähe von Hebron, Vater von sieben Kindern. „Zwischen 2:30 und 3:00 Uhr komme ich am Checkpoint an, bis ich durch die Kontrolle gekommen bin, ist es 6:30 Uhr, manchmal auch später. Ich sehe nur wenig von meiner Frau und meinen Kindern, da ich, nachdem ich heimgekommen bin, nur noch ein oder zwei Stunden wach bin, ehe ich wieder schlafen gehen muss. Das wiederholt sich Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr.“
Schätzungen zufolge versuchen jede Nacht 4000 – 6000 ArbeiterInnen aus Bethlehem und Umgebung über den Checkpoint 300 nach Jerusalem zu gelangen. Auf israelischer Seite angekommen verdingen sich palästinensische Arbeiter ihr Brot als Billigarbeitskräfte, die über keinerlei Arbeitsrechte verfügen. Oftmals sind die Arbeiter auch Tagelöhner, die über keine feste Anstellung verfügen und auf der Straße ihre Dienste (meist für Bauarbeiten) anbieten – auch hier gibt es keine Garantie, überhaupt Arbeit zu finden und wenn, dann kommt es oft zur Ausbeutung durch den Auftraggeber, der nach getaner Arbeit keinen oder einen geringeren Lohn als vereinbart auszahlt, im Wissen, dass sich die palästinensischen Arbeiter nicht dagegen wehren können aus Angst, ihre Genehmigung, den Checkpoint zu überqueren, zu verlieren.
Unsere Gedanken am 1. Mai sind aber auch bei den PalästinenserInnen in Gaza, deren Situation weiterhin gravierend bleibt. Die Arbeitslosigkeit in dem abgeriegelten Küstengebiet hat den UN-Experten zufolge mittlerweile das Rekordniveau von knapp 44 Prozent erreicht, die Jugendarbeitslosigkeit liegt einer anderen Statistik zufolge bei 57 Prozent. Laut UN sind nach wie vor 22 000 Menschen (4 162 Familien) nach den israelischen Angriffen im Jahr 2014 Binnenvertriebene und konnten bis heute nicht in ihre ursprünglichen Wohngebiete zurückkehren.
Weiterführende Informationen:
Palestinians can earn more by working in Israel, but their days are extremely long because of movement restrictions.
Von Sheren Khalel & Abed al Qaisi
Von Andreas Hackl