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Zum 70. Jahrestag des Massakers von Deir Yassin

Wir gedenken heute, am 9. April 2018, dem 70. Jahrestag des Massakers von Deir Yassin.


Am frühen Morgen des 9. April 1948 wurde das palästinensische Dorf Deir Yassin (westlich von Jerusalem) mit etwa 600 EinwohnerInnen von 130 Mitgliedern der paramilitärischen Verbände der extremistischen Organisationen Irgun Tzwai Le’umi (IZL) und Lechi angegriffen und eingenommen. Jene BewohnerInnen, die nicht fliehen konnten, wurden getötet, Frauen vergewaltigt, Häuser geplündert und mit ihren BewohnerInnen in die Luft gesprengt.


Die Vorfälle wurden als „Massaker von Deir Yassin“ bekannt. Die genaue Opferzahl kann bis heute nicht eruiert werden, israelische und palästinensische WissenschaftlerInnen sind sich jedoch einig darüber, dass es mindestens hundert Tote gegeben haben muss. Überlebende Männer, Frauen und Kinder wurden durch die King George – Street in West-Jerusalem getrieben, wo sie dem Spott und Hohn jüdischer EinwohnerInnen ausgesetzt waren. 55 Waisenkinder aus Deir Yassin wurden in der Altstadt von Jerusalem sich selbst überlassen, wo sie von Hind Husseini gefunden und in ihr Dar El-Tifl El-Arabi Waisenhaus in Ostjerusalem gebracht wurden.


Viele Palästinenser flüchteten aus Angst vor weiteren Massakern, ihre Dörfer und ihr Land wurden von jüdischen Einwanderern übernommen. Die Schockwirkung des Massakers war auch deswegen so groß, weil Deir Yassin als ein "kooperatives" Dorf galt, dessen Bevölkerung versucht hatte, sich mit der wachsenden jüdischen Präsenz friedlich zu arrangieren.


Nach Ansicht des israelischen Historikers Ilan Pappe war das Massaker in Deir Yassin Teil einer planmäßigen ethnischen Säuberung, mit der führende jüdische Politiker und Kommandeure (unter ihnen auch der spätere israelische Premierminister und Friedensnobelpreisträger Menachem Begin) die arabische Bevölkerung aus jenen Teilen des Mandatsgebiets vertrieben, die sie für den kommenden Staat Israel vorsahen.


Ab dem Sommer 1948 wurde das Dorf planmäßig neu besiedelt und an die Jerusalemer Infrastruktur angeschlossen. Die neuen Bewohner der nun Giw'at Scha'ul genannten Siedlung waren hauptsächlich EinwanderInnen aus Polen, Rumänien und der Slowakei. Heute ist Giw’at Sha’ul Teil von Har Nof, eines jüdisch-orthodoxen Gebietes.


Internationale Persönlichkeiten wie Martin Buber, Albert Einstein und Hannah Arendt bezogen Stellung und verurteilten das Massaker von Deir Yassin. So wandten sich prominente amerikanische Juden – unter ihnen Einstein und Arendt – 1948 in einem offenen Brief in der New York Times gegen Menachem Begin und die von ihm gegründete Partei, in dem sie auch Deir Yassin erwähnten:


„(…) Am 9. April griffen terroristische Banden dieses friedliche Dorf an, das kein militärisches Ziel darstellte, töteten die meisten Einwohner (240 Männer, Frauen und Kinder) und ließen ein paar am Leben, um sie als Gefangene durch die Straßen Jerusalems zu treiben. […] Die Terroristen, weit entfernt davon, sich ihrer Taten zu schämen, waren stolz auf das Massaker, machten es weithin bekannt und luden sämtliche Auslandskorrespondenten im Land ein, die Leichenberge und die allgemeine Zerstörung in Deir Yasin in Augenschein zu nehmen. (…)“


Bis heute sind große Teile des Materials, das das Heeresarchiv über das Massaker besitzt, darunter Fotos und Zeugenberichte, unter Verschluss. Im Jahr 2010 versuchte die israelische Filmemacherin Neta Shoshani, am Höchstgericht eine Veröffentlichung des Materials zu erwirken. Dies wurde jedoch mit der Begründung, dass dies dem internationalen Ansehen Israels schaden würde, abgewiesen. Shoshani drehte den Dokumentarfilm „Born in Deir Yassin“ und besuchte dazu Zeitzeugen.


Deir Yassin sollte nicht das einzige Massaker, begangen von jüdischen Milizen und – in späterer Folge – israelischen SoldatInnen, bleiben. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit wiederholt sich bis heute das Verbrechen, unbewaffnete palästinensische Zivilistinnen und Zivilisten zu ermorden. So wurden in der vergangenen Woche beim gewaltfreien #GreatReturnMarch in Gaza 30 unbewaffnete Palästinenser erschossen und zahlreiche Personen verletzt.



Weiterführende Informationen:


Trailer zur Dokumentation „Born in Deir Yassin“


Dokumentarfilm „Deir Yassin Remembered“




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