Die Staatsgründung Israels im Jahr 1948 ist für die palästinensische Bevölkerung untrennbar verbunden mit dem Terminus Nakba (arabisch für „Katastrophe“), der Vertreibung von 750.000 PalästinenserInnen aus ihrer Heimat, dem bis dahin britischen Mandatsgebiet Palästina. Zusätzlich wurden 150.000 Menschen aus ihren Häusern vertrieben, sie gelten daher als sogenannte Binnenvertriebene. Mit der Vertreibung einher gingen nicht nur die Zerstörung von 531 palästinensischen Dörfern und Stadtteilen, sondern auch zahllose Tötungen von PalästinenserInnen.
Der israelische Historiker Ilan Pape spricht im Zusammenhang mit der Nakba nach eingehenden Untersuchungen israelischer Militärarchive von „ethnischen Säuberungen“, begangen von jüdischen Milizen.
Dem von Israel nach wie vor aufrechterhaltenen Narrativ von einem „Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ stehen heute weltweit über 12 Millionen Palästinenser und Palästinenserinnen gegenüber, davon sind 5,49 Millionen als Flüchtlinge beim UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNWRA) registriert.
Die UN Resolution 194 (III), Artikel 11, vom 11. Dezember 1948 spricht den palästinensischen Flüchtlingen und ihren Nachkommen zwar ein Rückkehrrecht respektive Restitution aus, doch wurde diese Resolution bis heute nicht umgesetzt. Nach wie vor existieren 58 palästinensische Flüchtlingslager in Jordanien, Libanon, Syrien, Gaza, Westjordanland und Ostjerusalem. Die Situation in den dicht besiedelten Flüchtlingslagern ist geprägt von Armut, fehlender Infrastruktur und Arbeitslosigkeit. Das Recht der palästinensischen Flüchtlinge, in ihre Heimat und zu ihrem Eigentum zurückzukehren und Restitution zu erhalten, wie es in der UN Resolution 194 eigentlich vereinbart wurde, darf nicht in Vergessenheit geraten, sondern muss respektiert, geschützt und unterstützt werden.
Die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung hält bis heute an
Auch 74 Jahre später steht das palästinensische Volk unter den allumfassenden Auswirkungen israelischer Besatzung und deren Mechanismen wie Vertreibung, Enteignung, Kolonialisierung, Apartheid und weiteren, tagtäglichen Verletzungen von Menschenrechten. Heute sind weniger als 22 Prozent des historischen Palästinas für die palästinensische Bevölkerung übriggeblieben. Die Siedlungsexpansion im Westjordanland und in Ostjerusalem wird – völkerrechtswidrig und vor den Augen der internationalen Staatengemeinschaft – weiterhin und tagtäglich fort betrieben.
Ein aktuelles Beispiel: Die Situation in Masafer Yatta
"Ich liebe Masafer Yatta, und ich liebe dieses Dorf. Meine Familie ist seit Generationen mit diesem Land verbunden - mein Vater wurde hier geboren, und mein Großvater hat dieses Land von seinem Vater geerbt. Die Zugehörigkeit zum Land von Masafer Yatta ist unsere Identität; es hat uns die Möglichkeit gegeben, Hirten zu sein, an einem ruhigen Ort, und den einzigen Lebensstil zu leben, den wir kennen. Meine Wurzeln sind hier; ich kann mich nicht von diesem Ort weg definieren."
Mohammad Youssef Makhamri, 18 Jahre, Bewohner von Masafer Yatta
Masafer Yatta ist eine Ansammlung von 19 palästinensischen Dörfern im Gouvernement Hebron im südlichen Westjordanland. Das Gebiet erstreckt sich über rund 35.000 Dunum Land, auf denen seit Generationen BeduinnInnen in landwirtschaftlichen Gemeinschaften leben.
Seit Jahrzehnten versucht die israelische Regierung, die BewohnerInnen von Masafer Yatta zu vertreiben. Im Widerspruch zum Völkerrecht, das die Vertreibung einer Bevölkerung von ihrem Land und die Nutzung von besetztem Land für militärische Übungen verbietet, erklärte die israelische Armee Anfang der 1980er Jahre das Gebiet zur „Firing Zone 918“, um PalästinenserInnen aus ihren Häusern zu vertreiben und völkerrechtswidrige israelische Siedlungen in dem Gebiet zu stärken.
"Wir sind hier die Landeigentümer, wir haben Dokumente, die das beweisen. Aber selbst wenn wir nur ein Zelt aufstellen, kommt die Armee und gibt einen Abrissbefehl dafür oder reißt es sogar ohne Vorankündigung ab. Wenn die Bewohner von Masafer Yatta ihr Land verlassen, wird das Land von Siedlungen eingenommen."
Jaber, 34 Jahre, Bewohner von Masafer Yatta
Den Familien in Masafer Yatta wird der Zugang zu ihrem Land, zu Straßen, Wasserquellen, Schulen, medizinischen Diensten und Krankenhäusern verwehrt. Nach Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation B'Tselem hat Israel seit 2006 bereits 64 Häuser in den Gemeinden von Masafer Yatta abgerissen und dabei mindestens 346 Menschen, darunter 155 Minderjährige, vertrieben. Die Dörfer von Masafer Yatta wurden in der Vergangenheit auch immer wieder Opfer von Anschlägen fanatischer israelischer SiedlerInnen.
"Mein Haus wurde schon mehrmals abgerissen, zuletzt im April 2021. Nachdem es abgerissen wurde, mussten meine Familie und ich wieder in einer Höhle leben. Vor dem Abriss war die Höhle ein Lagerraum, aber heute leben wir alle in ihr. Die Höhle ist jetzt die Küche, das Badezimmer, einfach alles. Unser Leben ist jetzt sehr beengt. Wir haben nicht genug Platz zum Leben, und wir haben so viele Verluste erlitten."
Jaber, 34 Jahre, Bewohner von Masafer Yatta
Nun hat der oberste israelische Gerichtshof vor einer Woche grünes Licht für die gewaltsame Vertreibung der 1.300 BewohnerInnen gegeben und damit einen mehr als zwei Jahrzehnte währenden Kampf vor Gericht beendet.
Somit wurde der Weg für das israelische Militär geebnet, die Häuser der BeduinInnen abzureißen und deren BewohnerInnen gewaltsam von ihrem Land zu vertreiben, was einen Verstoß gegen internationales Recht darstellt, denn Israel ist es als Besatzungsmacht verboten, Angehörige der besetzten Bevölkerung gegen ihren Willen aus ihren bestehenden Gemeinschaften zu vertreiben.
Alle Zitate und Fotos wurden entnommen von: https://savemasaferyatta.com/en/
Commentaires