Der Angriff auf Gaza tobt nun seit 100 Tagen. 23 843 Menschen wurden in Gaza binnen 100 Tagen getötet, 70 Prozent davon Frauen und Kinder. Über 7000 Menschen werden vermisst und befinden sich vermutlich noch unter den Trümmern. Über 60 000 Menschen wurden - zum Teil schwer - verletzt.
1,9 Millionen Menschen wurden seit Kriegsbeginn vertrieben, das entspricht 85 Prozent der Bevölkerung von Gaza. Einige waren gezwungen, auf der verzweifelten Suche nach Sicherheit bis zu sechs oder sieben Mal zu fliehen. Diese Menschen verloren ihr Zuhause, ihrer Häuser, ihr Familienleben und ihren (auch immateriellen) Besitz. Die Drohungen und Versuche, den Gazastreifen zu entvölkern, d.h. ethnisch zu säubern, gehen unvermindert weiter.
Die gesamte palästinensische Bevölkerung in Gaza leidet unter Hunger und Durst, da Israel die humanitäre Hilfe weiterhin be- und verhindert. Das Welternährungsprogramm (WFP) stellt fest, dass vier von fünf Menschen in der Welt, die von einer Hungersnot oder einer Hungerkatastrophe betroffen sind, derzeit in Gaza leben. Israels Tod und Zerstörung, gepaart mit Nahrungsmittel- und Wasserknappheit sowie der zunehmenden Ausbreitung von Krankheiten, vor allem unter Kindern, sind eindeutig darauf ausgerichtet, den Gazastreifen unbewohnbar zu machen und die Bevölkerung zum Verlassen zu zwingen.
Israels Behauptungen - auch vor dem International Court of Justice (ICJ) – alles zu tun, um die palästinensische Zivilbevölkerung zu schonen, entspricht nicht den Tatsachen. Die internationale humanitäre Organisation OXFAM hat festgestellt, dass Israels Militär „täglich durchschnittlich 250 Palästinenser tötet, was die Zahl der täglichen Todesopfer in jedem anderen großen Konflikt der letzten Jahre massiv übersteigt", wobei noch viel mehr Menschen von Tod durch Hunger, Krankheit und Kälte bedroht sind. Die erschütternden Zahlen - wie sie am vergangenen Donnerstag auch von Südafrika dem ICJ in seinem Antrag auf vorläufige Maßnahmen gemäß der Völkermordkonvention vorgelegt wurden, um Israels Angriff auf das palästinensische Volk zu stoppen - umfassen im Durchschnitt jeden Tag:
die Tötung von Mehrgenerationenfamilien,
die Tötung von 48 Müttern (2 pro Stunde),
die Tötung von mindestens 117 Kindern,
die Tötung von mindestens 3 Sanitätern,
die Tötung von 2 LehrerInnen,
mehr als einem UN-Mitarbeiter/einer UN-Mitarbeiterin und mehr als einem Journalisten/einer Journalistin;
sowie die Verwundung von 629 Menschen, einschließlich 10 palästinensischer Kinder, denen ein oder mehrere Gliedmaßen amputiert werden müssen.
Selbst die Leichen der Toten und Begrabenen werden nicht respektiert, da die israelische Armee weiterhin Friedhöfe mit Bulldozern zerstört und Gräber aushebt, die Leichen schändet und zerstückelt, und den trauernden Familien, falls sie überlebt haben, weiteres Trauma zufügt.
Im Westjordanland (einschließlich Ostjerusalem) wurden 332 palästinensische Männer, Frauen Kinder getötet und mehr als 4 157 Menschen bei Angriffen der israelischen Armee und terroristischen SiedlerInnen verletzt.
Nur ein Waffenstillstand kann Menschenleben retten. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen und alle UN-Organisationen und humanitären Organisationen, die vor Ort Zeugen dieser Gräueltaten sind, wiederholen immer und immer wieder die Forderung nach einem Waffenstillstand, die weltweit von 153 Ländern in der UN-Generalversammlung und von Millionen von Menschen aller Glaubensrichtungen erhoben wird. Nur ein Waffenstillstand kann das Töten und Verstümmeln von ZivilistInnen, die Zerstörung von Häusern und Leben und die Zwangsvertreibung beenden, und nur ein Waffenstillstand kann die Verteilung von Hilfsgütern ermöglichen, die Millionen von Menschen, die unsägliches Elend und Demütigungen erleiden, dringend benötigen.
Rede anlässlich 100 Tage Krieg auf Gaza von Philippe Lazzarini, UNRWA Generalkommissar
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